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Fliehe weit und schnell

Fliehe weit und schnell

Titel: Fliehe weit und schnell Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Fred Vargas
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Maryse schloß daraus, daß das hier - ob nun Kommissariat oder Brigade - auf jeden Fall Bullen waren, und sie waren erheblich näher als die an der Avenue. Sie machte einen Schritt in Richtung Tür, dann zögerte sie erneut. Paul hatte sie gewarnt, kein Bulle würde sie ernst nehmen. Aber sie machte sich Sorgen, wegen der Kinder. Was kostete es sie schon, hineinzugehen? Fünf Minuten. Die Zeit, es zu sagen und wieder zu verschwinden.
    »Kein Bulle wird dich ernst nehmen, meine arme Maryse. Wenn du das willst, geh.«
    Ein Mann kam aus der Toreinfahrt, ging an ihr vorbei und kam dann zurück. Sie nestelte an ihrer Handtasche.
    »Stimmt was nicht?« fragte der Mann.
    Es war ein kleiner, braunhaariger Mann, nachlässig gekleidet, nicht mal gekämmt, die Ärmel seiner schwarzen Jacke über die bloßen Unterarme hochgeschoben. Sicher jemand, der wie sie irgendwelche Probleme loswerden wollte. Aber er hatte es schon hinter sich.
    »Sind die nett da drin?« fragte Maryse ihn.
    Der braunhaarige Mann zuckte mit den Schultern.
    »Je nachdem.«
    »Hören sie einem zu?« präzisierte Maryse.
    »Das kommt drauf an, was Sie ihnen zu sagen haben.«
    »Mein Neffe glaubt, daß mich keiner ernst nehmen wird.«
    Der Typ legte den Kopf zur Seite und sah sie aufmerksam an.
    »Worum geht es denn?«
    »Um das Haus, in dem ich wohne, neulich nacht. Ich mach mir Sorgen wegen der Kinder. Wenn neulich abend ein Verrückter reingekommen ist, wer sagt mir, daß er nicht wiederkommt? Oder was?«
    Maryse biß sich auf die Lippe, ihre Stirn war leicht gerötet.
    »Das ist hier die Abteilung Kapitalverbrechen«, sagte der Mann behutsam und zeigte auf das verdreckte Gebäude. »Da geht's um Morde, verstehen Sie. Wenn jemand umgebracht wurde.«
    »Oh!« rief Maryse verschreckt.
    »Gehen Sie in das Kommissariat an der Avenue. Mittags ist es da ruhiger, die werden sich die Zeit nehmen, Ihnen zuzuhören.«
    »O nein«, erwiderte Maryse und schüttelte den Kopf. »Ich muß um zwei im Büro sein, mein Chef ist unerbittlich, wenn man zu spät kommt. Können die hier nicht ihre Kollegen an der Avenue benachrichtigen? Ich meine, sind diese Polizisten nicht alle irgendwie gleich?«
    »Nicht ganz«, antwortete der Typ. »Was ist passiert? Ein Einbruch?«
    »O nein.«
    »Gewalt?«
    »O nein.«
    »Erzählen Sie einfach, dann kann man Ihnen einen Rat geben.«
    »Natürlich«, sagte Maryse, die leicht in Panik geriet.
    An die Motorhaube eines Autos gelehnt, wartete der Typ geduldig darauf, daß Maryse sich konzentrierte.
    »Es ist mit schwarzer Farbe gemalt«, erklärte sie. »Besser gesagt, dreizehnmal mit schwarzer Farbe gemalt, auf allen Türen des Gebäudes. Das macht mir Angst. Ich bin immer allein mit den Kindern, verstehen Sie.«
    »Sind es Bilder?«
    »Nein. Vieren. Also die Ziffer 4. Große schwarze Vieren, ein bißchen altmodisch. Ich hab mich gefragt, ob das nicht eine Bande ist oder so was. Vielleicht weiß die Polizei es, vielleicht verstehen die das. Vielleicht auch nicht. Paul hat gesagt, wenn du willst, daß die Bullen dich nicht ernst nehmen, dann geh.«
    Der Mann richtete sich auf und legte eine Hand auf ihren Arm.
    »Kommen Sie«, sagte er. »Wir werden das alles aufschreiben, und dann gibt's nichts mehr zu befürchten.«
    »Aber wär's denn nicht besser, einen Bullen dafür zu finden?« wandte Maryse ein.
    Der Mann sah sie einen Moment etwas überrascht an.
    »Ich bin Bulle«, antwortete er. »Hauptkommissar Jean-Baptiste Adamsberg.«
    »Oh«, sagte Maryse verunsichert. »Das tut mir leid.«
    »Ist nicht schlimm. Für was haben Sie mich gehalten?«
    »Ich trau mich nicht mehr, es zu sagen.«
    Adamsberg ging mit ihr durch die Räume der Brigade.
    »Brauchen Sie Hilfe, Kommissar?« fragte ihn im Vorbeigehen ein Oberleutnant mit dunklen Ringen unter den Augen.
    Adamsberg schob die junge Frau behutsam in sein Büro und beobachtete den Mann, während er versuchte, ihn einzuordnen. Er kannte noch nicht alle Mitarbeiter, die seiner Abteilung zugewiesen worden waren, und es fiel ihm wahnsinnig schwer, sich ihre Namen zu merken. Die Angehörigen der Brigade hatten diese Schwierigkeit rasch bemerkt und stellten sich systematisch bei jedem noch so kurzen Gespräch neu vor. Sei es, daß sie ihn nicht ganz ernst nahmen, sei es, daß sie ihm aufrichtig helfen wollten - Adamsberg war sich darüber noch nicht ganz im klaren, und es war ihm auch fast egal.
    »Oberleutnant Noèl«, sagte der Mann. »Brauchen Sie Hilfe?«
    »Die junge Frau ist mit den Nerven

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