Flitterwochen
Filiale
meiner
Bank! Du fliehst und behauptest mir gegenüber, du wollest mal schnell ein Brautkleid in Hamburg kaufen! Bist du jetzt völlig übergeschnappt? Nimmst du Drogen? Tine, was ist los mit dir? Weißt du eigentlich, was das für meine Stellung bedeutet?«
Wieder schießen mir Tränen in die Augen. Mein eigener Freund glaubt mir nicht. Alexander hält es tatsächlich für möglich, dass ich eine Bank überfalle. Und mehr noch: Am meisten scheint ihn daran zu beschäftigen, dass es eine Filiale der Fargo-Bank war. Das ist eindeutig zu viel für meine Nerven. Ich lege auf und versuche, nicht mehr zu weinen. Jan legt eine Hand auf meinen Arm. »Ihr Freund?«
Ich nicke. Jan klopft auf meinem Unterarm herum. »Das wird sich alles aufklären, bestimmt! Und Ihr Freund ist einfach nervös, der beruhigt sich wieder.« Er reicht mir ein Taschentuch, und ich tröte los wie Benjamin Blümchen. Als ich fertig bin, schniefe ich: »Meinen Sie?«
»Ganz sicher. Die übliche Hochzeitspanik. Völlig normal.«
Ich hoffe inständig, dass Jan recht hat. Obwohl die Worte
üblich
und
völlig normal
irgendwie nicht ganz zu meiner Situation zu passen scheinen. Trotzdem versuche ich ein schiefes Lächeln, das Jan erwidert. Dann runzelt er nachdenklich die Stirn.
»Vielleicht sollten Sie aber jetzt trotzdem Ihr Handy ausschalten.«
»Aber dann kann mich Alex doch gar nicht mehr erreichen. Ich bin mir sicher, in einer Stunde tut es ihm leid, und er ruft noch mal an.«
»Bestimmt. Aber wenn er, was ich natürlich nicht glaube, der Polizei Ihre Handynummer gegeben hat, dann bekommen wir vielleicht bald Besuch. Ich habe am Sonntag mit Oma Strelow eine Sendung namens
Tatort
gesehen, da haben sie als Allererstes versucht, das Handy zu orten.«
Ich schlucke und schalte hektisch mein Handy aus.
»Eine Frage noch: Ist das Ihr Auto?«
»Gefällt es Ihnen nicht? Okay, es ist nicht besonders groß, aber bis Polen kommen wir damit auf jeden Fall.«
Jan schüttelt den Kopf. »Nein, gleiches Problem wie beim Handy. Ich frage mich, ob die Polizei schon danach sucht. Es wäre eigentlich logisch, immerhin sind Sie mit einer Geisel unterwegs.«
Ich überlege kurz. Wo der Mann recht hat, hat er recht …
»Also brauchen wir einen anderen Wagen? Wo sollen wir den denn jetzt so schnell herkriegen?« Ich drehe mich um, weil ich Oma Strelow jetzt am liebsten mal so richtig die Meinung sagen würde, aber die schläft immer noch, und genau genommen würden weder ein kleiner noch ein großer Wutausbruch irgendetwas an meiner Lage ändern.
Jan zuckt mit den Schultern. »Naa«, sagt er gedehnt, »in dieser Tüte ist doch sehr viel Geld, ich würde sagen, wir kaufen schnell einen.«
Nun gehöre ich persönlich ja zu den Leuten, die für große Investitionsentscheidungen ein bisschen Zeit brauchen. Ich würde mir unter normalen Umständen niemals
schnell
ein Auto kaufen. Aber selbst unter ungewöhnlichen Umständen kann ich mir nicht vorstellen, wie man, sagen wir mal,
innerhalb einer Stunde
ein Auto kaufen soll. Wie, zum Teufel, soll das gehen? Ich scheine eine gewisse zweifelnde Grundhaltung auszustrahlen, denn Jan klopft mir aufmunternd auf die Schulter.
»Keine Sorge, Autokauf ist Männersache. Ich mach das schon.«
Eigentlich wären jetzt fünf Euro für die Chauvi-Kasse fällig, aber gerade jetzt gefällt mir dieser Spruch ausgezeichnet. Ich seufze. »Okay, wo soll ich hinfahren?«
»In die nächste größere Stadt. Wir sollten nicht länger als nötig mit diesem Auto durch die Gegend fahren.«
»Wir kommen gleich an Wismar vorbei. Da vielleicht?«
Jan nickt. »Ja, am Stadtrand gibt’s bestimmt ein paar Autohändler.«
Und tatsächlich. Kaum von der Autobahn abgefahren, sind wir mitten in einem Gewerbegebiet und kommen auch schon an einem Autohaus vorbei. Ich fahre auf den Hof. Als ich den Motor abstelle, wacht Oma Strelow auf.
»Sind wir schon da?«
Jan dreht sich um. »Nein, Frau Strelow. Noch nicht. Wir müssen uns erst mal ein neues Auto besorgen. Nicht dass wir noch vor der Grenze Ärger mit der Polizei bekommen.«
Oma kichert.
Haha, sehr witzig! Der wird das Lachen noch vergehen, wenn wir übers Osterwochenende erst mal mit dreißig Klein- und Großkriminellen aus der mecklenburgischen Provinz in einer hübschen Gemeinschaftszelle sitzen. Da ist dann nix mehr mit Wasserblick, und zum Diner gibt’s vermutlich Hafergrütze. Wobei man die mit dritten Zähnen bestimmt besonders gut essen kann.
Ich stapfe gemeinsam mit Jan zur
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