Flitterwochen
nicht?«
»Noch nicht ganz. Wir arbeiten dran.«
Interessant. Wenn Jan mit Oma spricht, bekommt seine Stimme einen ganz warmen Klang. Er scheint sie wirklich zu mögen. Die beiden sind ein seltsames Gespann. Ich lasse den Motor an.
»So, und wo suchen wir jetzt?«
»Hm, vielleicht fahren wir einfach mal diese Straße lang. Es muss hier doch auch so was geben wie einen Platz für alte Autos.«
»Sie meinen einen Schrottplatz?«
Er nickt. »Genau. Danke. Mir fiel das Wort nicht ein. Schrottplatz. Richtig. Vielleicht sind die da nicht ganz so streng.«
»Ihr Deutsch ist übrigens phänomenal.«
»Oh, danke! Ich habe Germanistik studiert und unterrichte als Dozent an der Uni. Also, eigentlich. Momentan passe ich ja auf Frau Strelow auf. Und was machst du … äh, ich meine, was machen Sie so?«
Ich muss grinsen. »Kannst ruhig beim Du bleiben. Wer gemeinsam auf der Flucht ist, kann sich Förmlichkeiten auch schenken. Ich bin Lehrerin.« Ich will das gerade näher ausführen, als Jan plötzlich »Halt!« schreit. Vor Schreck trete ich auf die Bremse, und der Micra kommt mit quietschenden Reifen zum Stehen.
»Was’n los?«
»Da drüben!«
Er zeigt nach schräg links. Tatsächlich. Ein Band mit bunten Wimpeln flattert in der Luft. Darunter ein Schild:
Auto Sultani. An- und Verkauf. Bargeld sofort.
5 . Kapitel
I ch schaue in den Rückspiegel. Oma Strelow hängt schief auf ihrem Sitz und schläft schon wieder. Kein Wunder, das war ja auch ein aufregender Tag für eine alte Dame. Da kann man schon mal müde werden. Wenn sie mich nicht so in die Pfanne gehauen hätte, könnte ich sie jetzt fast niedlich finden, wie sie da mit verwuschelten grauen Löckchen sitzt und schnarcht, und zwar gar nicht so leise. Ich sehe wieder auf die Fahrbahn und schüttele über mich selbst den Kopf. Die und niedlich, ha! Faustdick hinter den Ohren hat sie es! Schließlich werde ich wegen Oma Strelow polizeilich gesucht. Außerdem werde ich wegen der ganzen Sache einen Riesenstress mit Alex bekommen, und das so kurz vor unseren Flitterwochen! Unwillkürlich muss ich laut schnauben.
Jan schaut mich erstaunt an. »Ist irgendwas? Geht’s dir nicht gut?«
»Mir geht’s super, danke der Nachfrage. Könnte gar nicht bessergehen.«
»Dann ist ja gut.« Er wirkt erleichtert.
Meine Ironie scheint hier völlig fehl am Platz zu sein. Schweigend zuckeln wir mit unserem neuen alten Golf über die Landstraße. Spritzig ist nicht gerade der Zweitname dieser Karre, aber immerhin hat sie ein gültiges Kfz-Kennzeichen, und Herr Sultani war so gütig, sie uns sofort zu überlassen. Hat deswegen auch
nur
dreitausend Euro gekostet, ein echter Schnapper also. Ich schätze, der Vorbesitzer des Wagens ist Frittenkoch gewesen, denn der Kofferraum stinkt so nach ranzigem Fett, dass ich mein Brautkleid neben Oma Strelow gelegt habe. Gepflegt hat er sein Autochen auch nicht – ich hoffe, wir kommen mit der Gurke überhaupt noch bis Polen.
Wir fahren schon seit längerer Zeit durch ein menschenleeres Dorf nach dem anderem. Die Häuser sind fast alle in einem flotten Grau gestrichen, viele Gebäude sehen aus, als könnten sie mal wieder renoviert werden. Von wem, ist allerdings unklar, denn sie scheinen unbewohnt zu sein. Keine Frage, die haben hier ein echtes Nachwuchsproblem.
»Wie weit ist es denn noch bis zur Grenze?«, frage ich, um irgendeine Art von Gespräch in Gang zu bringen.
»Keine Ahnung.« Jan zuckt ratlos mit den Schultern. »Vielleicht so sechzig, siebzig Kilometer?«
Na, dann haben wir’s ja bald geschafft. Noch während ich das denke, gibt der Golf auf einmal komische Geräusche von sich. Er keucht und sprotzt, und aus der Kühlerhaube quillt weißlicher Rauch.
»Was ist das denn jetzt?« Ich stöhne genervt und lasse den Wagen langsam ausrollen.
Jan zuckt wieder mit den Schultern, macht aber keine Anstalten, auszusteigen und nachzusehen.
»Willst du nicht mal gucken, was da los ist?«
»Nö. Wie ich schon sagte: Ich bin Dozent für Germanistik. Also kein Kfz-Mechaniker.«
Ach, so ist das also. Der Herr Dozent will sich nicht die Finger schmutzig machen! Wütend steige ich aus und reiße die Motorhaube auf. Der heiße Qualm schießt mir ins Gesicht, meine Augen tränen, und ich muss husten. Während ich den Rauch wegwedele und mit dem Erstickungstod ringe, sehe ich, wie Jan beherzt auf das nächstbeste Haus zutrabt und klingelt. Kein Schwein öffnet, aber ich sehe, dass sich eine Gardine bewegt. Erst beim fünften Haus hat er
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