Flitterwochen
»Schlaf schön«, und schwups weg ist er.
Na, das habe ich ja super hinbekommen! Warum habe ich bloß nicht gesagt, dass meine Beziehung zu Alexander so gut wie am Ende ist? Und dass ich Jan mindestens genauso toll finde wie er mich? Ich bin nicht nur manchmal zickig, ich bin manchmal auch richtig dämlich.
Am nächsten Morgen geht dann alles ganz schnell. Als ich völlig verschlafen die Treppe hinuntertaumele, ist Jan schon fix und fertig angezogen, seine Habseligkeiten stehen gepackt im Flur.
»Willst du etwa schon los?«, frage ich und hoffe, dass ich nicht zu entsetzt klinge.
»Jep, mein Zug fährt um zehn nach zehn«, erklärt Jan kurz angebunden.
»Oh, ich dachte, wir frühstücken noch gemeinsam …«
»Das wird leider nichts. Oma hat mir vor fünf Minuten ein Taxi gerufen.«
In diesem Moment klingelt es auch schon an der Tür. Gerda eilt herbei, und wir bringen Jan zum Wagen, dessen Fahrer ungeduldig mit den Fingern aufs Lenkrad trommelt. Jan nimmt Oma liebevoll in den Arm und drückt sie ganz fest. »Tschüss, Gerda, wir sehen uns bald wieder!«
»Das machen wir, mein Junge. Entweder kommst du noch mal nach Lübeck, oder wir treffen uns spätestens in Kolberg bei deiner Tante!«
Jan dreht sich zu mir und haut mir betont kameradschaftlich auf die Schulter. »Tine, mach’s gut. Bis irgendwann. Kannst dich ja melden, wenn du mal wieder in Polen bist.« Er grinst schief, und bevor ich irgendetwas sagen kann, hüpft er auch schon ins Auto, die Tür klappt, und das Taxi biegt um die nächste Ecke.
Oma nimmt meine Hand und drückt sie, und das ist das endgültige Signal für mich, spontan in Tränen auszubrechen.
»Kindchen, Kindchen, du machst aber auch Sachen«, Oma schüttelt den Kopf. »Nu lass uns mal wieder reingehen. Ich glaub wir können jetzt beide einen Schnaps vertragen.«
»Gerda, es ist erst Viertel vor zehn, und ich hab noch nicht mal gefrühstückt«, schniefe ich.
»Eben. Dann schmeckt er doch am besten!«
22 . Kapitel
T aschentuch?«
Oma Gerda drückt mich auf die Küchenbank und reicht mir ein Tempo. Das Taschentuch nehme ich gern, den Schnaps lasse ich aber doch lieber stehen. Dafür ist es definitiv noch zu früh. Außerdem ist mein Magen zu leer, der sich jetzt mit einem unüberhörbaren Knurren zu Wort meldet.
»Ich glaube, ich schmier dir erst mal ein Brötchen. Bevor du mir hier noch von der Bank kippst …«
Ich nicke ergeben, mümmele dann aber nur halbherzig an meinem Frühstück herum. Jans Abschied hat mir ganz offensichtlich den Appetit verdorben.
»Kindchen, was ist denn los mit dir?«
»Ach Oma«, sage ich matt, »ich habe gerade das Gefühl, dass mein ganzes Leben den Bach runtergeht!«
Gerda greift nach meiner Hand und guckt mich auffordernd an. »Wieso das denn? Du bist wieder zu Hause, die Sache mit der Geiselnahme ist vom Tisch, und mit deinem Alexander renkt sich schon alles wieder ein. So klang das jedenfalls … Es müsste also alles in allerbester Ordnung sein. Oder?«
»Na ja, nicht ganz …« Und dann erzähle ich Oma alles. Dass sich mit Alexander mitnichten alles wieder einrenkt, sondern dass mein Verlobter und ich uns gerade nicht so gut verstehen. Besser gesagt: Wir verstehen uns gar nicht. Überhaupt gar nicht. Zwischen uns ist die Luft raus. Der Funke erloschen.
Rien ne va plus,
wie der Franzose sagt. Denn: Wir passen nicht zusammen. Und wir haben nie zusammengepasst. Das mit Alexander und mir war ein großer Irrtum. »Der Fehler meines Lebens«, sage ich abschließend und muss schon wieder heulen.
Oma wiegt bedächtig den Kopf hin und her. »Ach Kindchen, auch wenn du das jetzt vielleicht nicht hören willst: Dann hatte unsere Reise nach Kolberg auch für dich einen Sinn. Ich weiß ja nicht, ob du an den lieben Gott glaubst oder an höhere Mächte. Aber ich glaube, da hatte jemand seine Finger im Spiel. Es war kein Zufall, dass wir uns begegnet sind, es war Schicksal.«
»Wie meinst du das?«
»Stell dir vor, du hättest in der Bank nicht hinter mir in der Schlange gestanden, dann wärst du jetzt mit Alexander verheiratet …«
»Genau! Und glücklich!«
»Kindchen, Kindchen, das stimmt doch nicht. Und wenn du mal ehrlich bist, weißt du das auch. Vielleicht wäre es ein paar Jahre gutgegangen mit euch beiden. Aber glücklich wärst du nicht geworden. Du und Alexander, das klingt eher nach Feuer und Wasser. Jetzt guck mich nicht so an, das hast du doch eben selbst gesagt. Und deshalb hat das Schicksal dich nach Kolberg
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