Florian auf Geisterreise
langweilt er sich auf einmal so, daß er umkehrt. Eine rein irdische Gewohnheit, denn kürzere Wege gibt’s nicht, wo es keine Entfernungen gibt.
Nichts wie weg hier! Aufregend ist es nur, wo Menschen sind! Vorbei an schwerfälligen Satelliten saust der astrale Florian durch den Raum. Einen peilt er mit Konzentration an.
Hau ab, du dummes Ding!
Prompt fliegt der Satellit aus seiner Umlaufbahn und beginnt zu taumeln. Wenigstens ein kleiner Spaß in dieser Leere. Noch ein kleiner Umweg!
Mit mehr als hundert Millionen Stundenkilometer — und das ist im Grunde gar nichts — rast er senkrecht hinunter ins Meer. Ob es nur im All für ihn langweilig war, weil Menschen da nicht hingehören, will er wissen und befindet sich schon einige hundert Meter unter der Oberfläche. Auch das Wasser kann ihm nichts anhaben, noch die Dunkelheit der Tiefe.
U-Boote schleichen vorbei, wie droben die Satelliten. Ein Wal kommt daher; Florian setzt sich in ihn hinein, spielt ein bißchen Jonas, mit dem einen Unterschied, daß er sich selbst wieder ausspuckt, als es ihm zu langweilig wird.
Im Meer haben Menschen auch nichts verloren! stellt er fest. Jetzt interessiert mich nur noch Neustadt!
Nach Bratkartoffeln riecht es. So kennt er sein Zuhause. Schön, dieser Astralbesuch, wo die Eltern einem keine Vorwürfe machen oder mit Wünschen rumkommandieren können!
Vater steht im Wohnzimmer und bindet sich die Krawatte; Mutter lüftet, um den Essensgeruch hinauszulassen, weil er den haßt. Zugluft allerdings auch.
Menschenskind, ich hab doch noch telekinetische Energie! fällt Florian ein. Oder bin ich schon auf Reserve, wegen dem Satelliten?
Fenster geh zu! Fenster geh zu! konzentriert er sich, und das Fenster schließt sich.
„Bin ja gespannt, was Frau Treitschke- Zwiebenich dir heute wieder bietet!“ sagt die Mutter und will das Fenster erneut öffnen.
Du bleibst zu! Du bleibst zu! konzentriert sich Florian.
Die Mutter zieht an dem Griff, den sie dabei, untechnisch, wie sie ist, auf- und zudreht.
„Am liebsten würde ich wegbleiben“, antwortet ihr der Vater. „Dann tu’s doch!“ Mutter bemüht sich weiter.
„Und der Verein der Kulturfreunde?“ bemerkt er. „Sie leitet ihn nun mal, und ich hab das Blockflötenkonzert angeregt...“
„So hilf mir doch!“ ruft sie vorwurfsvoll. „Siehst du denn nicht, wie ich mich plage?“
Lächelnd geht der Vater zu ihr hin. „An sich habe ich nichts dagegen, daß es geschlossen ist.“ Er faßt nach dem Griff.
Du bleibst zu! Du bleibst zu! konzentriert sich Florian weiter, während sein Vater zieht. Bei ihm muß er mehr Energie aufwenden. Da fällt ihm etwas ein. Die Idee unterbricht seine Konzentration, ruckartig geht das Fenster auf. Begleitet von einem Schreckensruf der Mutter, taumelt sein Vater rückwärts und...
Mehr links! konzentriert sich Florian wegen der Kommode, der Vater landet im Sessel.
„Da hast du aber einen Schutzengel gehabt!“ Die Mutter atmet auf. „Es sah aus, als würdest du mit dem Kopf an die Kommode schlagen.“
„Den braucht man mitunter“, antwortet der Vater. „Das klemmt ja heimtückisch. Ich werd’s gleich morgen richten lassen.“
Entschuldige, Vater! möchte der unsichtbare Sohn am liebsten sagen. Jetzt wird er keine Energie für das Fenster mehr verschwenden. Die neue Idee ist zu gut. Umgehend entschwebt er dem Bratkartoffeldunstkreis und hält unschlüssig über der Stadt. An sich hab ich noch Zeit! Aber ich hab noch Zeit? Zwei Astralminuten könnten um sein. Bleibt eine, das heißt mindestens zehn Menschenminuten! Prima. Die Sache kann ich unmöglich auslassen!
Mit Gedankensteuerung schwebt er zu seinem Freund Jens. Er weiß, daß der nicht da ist, die Rolläden sind heruntergelassen. Für Florian kein Hindernis.
Ungemütlich so eine verlassene Wohnung! Jens hat sein Zimmer kolossal aufgeräumt. Vielleicht war’s auch die Mutter.
Nichts liegt herum. Nur auf dem Schreibtisch ein großes Foto. Es zeigt ihn, Florian, als Sieger beim Vierhundertmeterlauf vor Klaus, dem Witzbold von Burg Schreckenstein. Das Foto, von Jens aufgenommen, war in der Schule als bestes Sportbild des Jahres prämiert worden.
Menschenskind! Hoffentlich hält mein Körper die Kondition! Nicht daß die rausgeht, wenn man ihn verläßt! Sonst kann ich wieder von Null hochtrainieren!
Nachdem der beste Freund nicht da ist, liegt es nah, einen aufzusuchen, der nicht weg sein dürfte: Jörg.
Er ist auch da.
„Komm doch rüber! Hören wir Musik. Ich hab
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