Florian auf Geisterreise
tolle neue Sachen!“ sagt Jörg gerade ins Telefon.
Mit wem redet er denn? Das müßte Uwe sein!
Kurze Konzentration, und Florian sieht den Gesprächspartner. Es ist Uwe. Jetzt antwortet er.
„Komm halt du zu mir! Ich hab ein neues Spiel, wo du irrsinnig schnell reagieren mußt. Tolles Training!“
Auch Florian trainiert. Er konzentriert sich auf Jörgs Sprachzentrum.
„Blöder Ferienlangweiler!“ läßt er ihn sagen und den Hörer auflegen.
Wenn die wüßten...!
Ein merkwürdiges Gefühl ist es schon, Schulkameraden derart manipulieren zu können. Macht über sie zu haben, die der normale Astrale nicht besitzt. Dieser doppelte Sonderzustand, über den er leider mit niemand reden kann, außer mit Agathe, ist ein so einmaliges Erlebnis, daß Florian ihn ausnutzen muß, bis zum letzten Energieimpuls. Das steht fest. Mit diesem Vorsatz begibt er sich zur nächsten Adresse, seinem eigentlichen Ziel: zu Frau Treitschke- Zwiebenich . Die vollautomatisch arbeitende Gedankensteuerung hat ihn dorthin gebracht, wo sie sich in diesem Augenblick befindet, ins Badezimmer ihrer Wohnung über dem Geschäft. Dort steht sie vor dem Spiegel und macht sich für seinen Vater schön.
Eine Heidenarbeit!
Zwischen ihren krallenartigen Fingernägeln drückt sie eine Unebenheit auf ihrer Nase aus.
Ohne besondere Absicht, eigentlich nur aus Übermut oder telekinetischer Gewohnheit, konzentriert sich Florian auf die Stelle. Sofort quillt ein dicker Tropfen Blut heraus. Ungeduldig wischt sie ihn mit einem Zellstoffblatt weg.
Irgendwas ist anders? Ja! Als Duftärgernis ist sie im Moment eine absolute Schwachstromtype!
Im Zuge der Verschönerung sind die Wimpern dran. Wie beim Schuheputzen fährt sie mit einer Bürste in eine Dose mit schwarzer Paste und überträgt diese.
Schön dick! Schön dick! konzentriert sich Florian, um Energie zu sparen, aus kürzestem Abstand. Er sitzt auf dem Stiel der Bürste. So bedarf es nur kleinster Impulse, meint er, weil er mit dem Rest der telekinetischen Energie noch sehr viel vorhat mit Frau Zwiebelfisch.
Irre!
Vor Freude schlägt Florian einen astralen Purzelbaum. Die Wimpern sehen aus wie geschwollene Fliegenbeine.
Jetzt merkt sie’s offenbar, greift nach einem Zellstofftuch.
Du findest dich schön, blöde Ziege! Du findest dich schön! hämmert Florian ihr ein. Sofort wirft sie das unbenützte Tuch weg, lächelt ihrem Spiegelbild zu und pickt aus dem Arsenal von Stiften, Dosen, Tiegeln, Tuben, Flaschen einen schwarzen Farbstift heraus und führt ihn an eine Augenbraue.
Halt! funkt Florian dazwischen. Nimm den Lippenstift!
Gehorsam legt Frau Zwiebelfisch den Farbstift zurück, schraubt einen besonders grellen Lippenstift aus der Hülse und schmiert sich dicke, hellrote Balken über die Augen, daß jeder Indianer sofort in Kriegsgeheul ausgebrochen wäre.
Du merkst es nicht! Du merkst es nicht! sichert Florian ab. Dabei kommt ihm eine neue Idee: Mach auch die Ohrläppchen rot! Mach auch die Ohrläppchen rot!
Wieder klappt es auf Anhieb. Aber die ständige Konzentration strengt an; jetzt versteht er Tante Thekla besser. Sie wird schon ungeduldig warten, gleich ist er soweit.
Frau Zwiebelfisch lächelt ihrem Spiegelbild zu. Mit knallroten Ohrläppchen. Nun taucht sie einen Pinsel in lindes Blau, senkt einen Augendeckel und will gerade auftragen.
Unters Auge! Unters Auge! Unter beide Augen! Und ordentlich dick! dirigiert Florian die Hand um, läßt nachstreichen, bis sie aussieht wie frisch verprügelt.
Superastralkinese ! Eine kleine Konzentration und sie hüpft aus dem Fenster. Menschenskind, bloß nicht dran denken! Das ist ja wahnsinnig! Drum steckt Tante Thekla ihre Kräfte ganz in die Heilung. Unheimlich, diese Macht... Und was kann ich tun? Mit nicht ganz reinem Gewissen gerade noch verantworten? Ich stecke meine Kräfte in die Verschönerung!
Ein kleiner Impuls, und Frau Zwiebelfisch hat ihre Lippen mit dem Augenbrauenstift schwarz gemalt, hat sich Nagellack ins Haar geträufelt. Jetzt läßt er sie in ihrer Schmuckkassette kramen, einen Ohrring, groß wie ein Gardinenring, herausnehmen und ihn auf der Scheidewand zwischen den Nasenlöchern festschrauben, daß er bis zum Kinn hinunterhängt.
Du hältst dich für normal und schön! Du hältst dich für normal und schön! stützt er wieder ab.
So! Fertig ist die Kriegsbemalung. Jetzt fehlt noch das Duftärgernis. Flaschen stehen ja ausreichend herum. Welche Essenz ist denn die schlimmste?
Normalerweise müßte Florian seine
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