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Fluch der 100 Pforten

Fluch der 100 Pforten

Titel: Fluch der 100 Pforten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: N Wilson
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ganz anderer Mensch geworden. Er sah auch ganz anders aus, und das lag nicht nur an der Schnittwunde auf dem Rücken seiner Finger. Die sah schlimmer aus als sie war, einfach weil Henry es nicht lassen konnte, daran herumzupulen. Die Verbrennungen an seinem Kinn waren da schon bemerkenswerter und hatten ebenfalls zu verkrusten begonnen. Henry berührte sie nicht gern, doch er konnte nicht anders. Besonders die eine unter dem Ohr. Sie begann sich zu einem Schorf von der Größe seiner Fingerspitze zu verwandeln.
    Vor allem aber hatte sich Henry York im Kopf verändert. Dinge, die er für selbstverständlich gehalten hatte, waren offenbar einfach nicht mehr wahr. Die Welt, die ihm immer wie eine langsam vor sich hin stampfende, zuverlässige und irgendwie auch etwas langweilige Maschinerie vorgekommen war, hatte plötzlich zu leben begonnen. Und sie war alles andere als zahm! In seinem Dachbodenzimmer hatte er eine Wand voller Fächer entdeckt. Und jetzt wusste er auf einmal nicht mehr, wer er eigentlich war. Er hatte keine Ahnung, wer seine richtigen Eltern waren und ob er sich überhaupt in der richtigen Welt befand. Eigentlich wusste er gar nichts mehr. Merkwürdigerweise war ihm das angenehmer als die Vorstellung, über alles genau im Bilde zu sein.
    Noch vor einem Monat, als er gerade aus dem Bus aus Boston gestiegen war, hätte es ihn nervös gemacht, an dieser Stelle hier zu sitzen und gemächlich mit den Fersen gegen die
Scheunenwand zu trommeln. Vor einem Monat hätte er nicht gedacht, dass er einen Baseball treffen könnte.
    Ein Schnaufen erklang neben ihm und Henry drehte sich um. Vor einem Monat war die Welt noch normal gewesen und Kreaturen wie diese dort hatte es nicht gegeben.
    Der Raggant schnüffelte geräuschvoll und setzte sich auf die Hinterbeine. Seine Flügel ruhten angelegt auf seiner rauen, kohlenfarbenen Haut, und wie immer reckte er sein stumpfes Horn in die Höhe.
    Henry lächelte. Das tat er immer, wenn er dieses Tier sah. Der Raggant war so stolz und hatte offensichtlich so gar keine Ahnung, wie er aussah. Jedenfalls kam es Henry so vor. Mit der Figur eines Dackels, jedoch mit Flügeln und dazu dem Gesicht und der Haut eines Nilpferds, war der Raggant alles andere als schön. Aber das hinderte ihn nicht daran, starrköpfig und stolz wie ein Pfau zu sein. Wie ein Fährtenhund aus einer anderen Welt hatte er Henry aufgespürt und von der Innenseite eines Faches aus den Putz an der Dachbodenwand aufgebrochen. Mit dem Ragganten hatte alles angefangen. Oder durch denjenigen, der den Ragganten geschickt hatte. Henry hatte nicht den geringsten Schimmer, wer dies sein mochte.
    »Weißt du eigentlich, wie komisch du aussiehst?«, fragte Henry und legte seine Hand auf den Nackenspeck des Tiers. Er fühlte sich an wie Knetgummi mit Sand, und als Henry darüber streichelte, schloss der Raggant seine schwarzen Augen und ein tiefes Seufzen entrang sich seiner Brust.
    »Ich möchte dich mal fliegen sehen«, sagte Henry. »Und irgendwann wird es soweit sein, hörst du?« Er überlegte:
Man könnte ihn einfach stoßen. Dann müsste er fliegen. Aber wahrscheinlich war er auch dazu wieder zu starrköpfig und würde vor lauter Stolz die Flügel geschlossen halten und ins hohe Gras plumpsen. »Früher oder später«, sagte Henry.
    Die Nachmittagssonne wanderte bereits abwärts und Henry wusste, dass es nicht mehr lange dauern würde, bis der Schatten der Scheune auf die Felder fiel. Und noch schlimmer: dass es nicht mehr lange dauern würde, bis die Felder und die Scheunen und überhaupt ganz Kansas ein Stück Vergangenheit für ihn werden würden. Seine Eltern waren vor einiger Zeit von ihrem verunglückten Fahrrad-Trip zurückgekehrt, aber er hatte noch nichts von ihnen gehört. Das war nichts Besonderes. Er hörte eigentlich nie so schnell von ihnen, wenn sie von ihren auf Fotos dokumentierten Abenteuern zurückkehrten. Der Umstand, dass es ihnen diesmal sogar gelungen war, entführt zu werden, würde ihre Rückkehr noch sonderbarer machen, sodass Henry damit rechnen konnte, dass sie sich noch für eine ganze Weile nicht an ihn erinnern würden. Aber ewig würde das auch nicht währen. Sie hätten ihn sowieso niemals zu seinen Verwandten fahren lassen, wenn sie in dieser Angelegenheit irgendetwas hätten sagen können. Und nachdem sie nun zurück waren, würden sie ihn nicht in Kansas zur Schule gehen lassen – und er durfte wahrscheinlich noch nicht mal für den Rest der Sommerferien hierbleiben. Er würde

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