Fluch der Toten: Roman (German Edition)
Raubzug vor einigen Monaten hatten Trevor und Brewster sich eine Stunde lang mit dem Stadtplan des Westteils der Stadt vertraut gemacht. Dann hatten sie eine kaum mehr als einen Kilometer vom Forschungszentrum entfernte medizinische Gemeinschaftspraxis entdeckt. Derart weit hatten sie sich noch nie von der Sicherheit ihres neuen Domizils entfernt, also war Brewster ganz schön nervös gewesen. Trotzdem, in so einer Praxis musste es alles geben, was sie brauchten. Also war sie auch einen Besuch wert. Das Risiko hatte sich ausgezahlt. Sie hatten sich massenhaft Grundvorräte aufgeladen, um Anna für mehrere Wochen zu beglücken. Im Laufe der Zeit hatten sie sämtliche Regale geleert. Inzwischen war Ewan bewusst geworden, dass sie irgendwann gänzlich aus Omaha heraus oder eine andere Gemeinschaftspraxis oder ein Krankenhaus finden mussten, das es wert war, durchstöbert zu werden. Oder sie mussten sich weiter in die Stadt vorwagen. Dies war bestenfalls ein riskantes Unternehmen und schlimmstenfalls ein Selbstmordkommando.
Die Stadt wimmelte von Infizierten. Laut Dr. Demilio hatte Omaha vor dem Ausbruch der Seuche fast eine halbe Million Einwohner gehabt. Brewster wusste nicht, wie viele davon noch lebten. Er war auch nicht geneigt, es rauszukriegen.
Junko Koji schaute den beiden Männern träge aus einem der bequemen Sessel in der Eingangshalle zu, als sie sich auf den Raubzug vorbereiteten. Sie saß neben Denton, hatte die Arme vor der schmächtigen Brust verschränkt und trug den Anflug eines Lächelns zur Schau.
Ihre Miene fiel Brewster auf.
» Was ist es diesmal, Juni? « , fragte er und schnallte sich den Pistolengürtel um. » Was schaust du so selbstgefällig aus der Wäsche? Bloß weil du die ewige Torwächterin bist, bedeutet es noch lange nicht, dass du es auch für immer bleibst. «
» Das ist es nicht « , erwiderte sie, und ihr Lächeln wurde breiter. » Ich sehe dich nur gern zusammenzucken. «
» Du bist so ziemlich das querköpfigste Biest, das mir je über’n Weg gelaufen ist « , sagte Brewster. » Und trotzdem weiß ich noch immer nicht, was ich von dir halten soll. «
Trev schlug ihm fest auf die Schulter. » Lass sie in Ruhe. Sie ist in Ordnung. «
» He, ich hab auch Talente « , sagte Juni und breitete die Arme aus. » Soll ich dir beibringen, was Leck mich auf Russisch heißt? Oder auf Französisch? Auf Japanisch? Auf Deutsch? Ach, ich weiß auch, was man auf Farsi sagt. «
» Was ist Farsi, verdammt? « Brewster schnallte sich die kugelsichere Weste um und überprüfte ihren Sitz. Sie war zwar weniger nützlich gegen einen Infizierten als gegen einen bewaffneten Gegenspieler, konnte einen Soldaten aber gegen einen Biss oder die Fingernägel eines Untoten schützen.
» Siehst du? « Juni grinste. » Du siehst mich nicht mal, so weit stehe ich über dir. « Sie drehte eine Locke um ihren Finger. » Es ist doch nicht meine Schuld, dass Sherman das Köpfchen hierbehalten möchte, während ihr rausgeht und den Muskelmann gebt. «
» Jetzt bist du gemein. « Brewster schenkte ihr trotzdem ein Lächeln. Juni wuchs ihm zunehmend ans Herz. Ihr milder Humor gefiel ihm. Er zog einen Kochtopf aus dem Beutehaufen neben der Tür, entschied sich aber dann doch dagegen, ihn zu tragen, zog eine verschossene schwarze schweißfleckige Baseballmütze aus einer der Cargotaschen seiner Hose und setzte sie, ironisch grinsend, auf.
» Du brauchst dich gar nicht so zu bemühen « , sagte Trev. » Es glaubt ohnehin niemand, dass du vögeln kannst. «
Brewster, zum ersten Mal sprachlos, sagte nichts.
Als die Männer fertig waren, hoben sie die hölzernen und metallenen Riegel hoch, die den Haupteingang verschlossen. Sie warteten, bis Denton den Verriegelungsbolzen mit dem Schlüssel zurückgezogen hatte, und öffneten die Türflügel. Sie mussten die Augen mit den Händen vor den Sonnenstrahlen schützen, die in den Raum eindrangen.
Ihre Ausflüge in die Straßen Omahas fanden immer am Tag statt. Sonnenschein belebte sie und war auf Raubzügen ihr bester Freund. Die alte Weisheit, die Dunkelheit als Deckung zu nutzen, hatte seit dem Ausbruch der Morgenstern-Seuche keinen Stellenwert mehr. Aus unbekannten Gründen war den Infizierten die Finsternis lieber. Ins Licht traten sie nur, wenn sie Beute sahen. Sonst suchten sie sich einen verdunkelten Raum oder eine schattige Gasse, um zu warten, bis der Sonnenschein nachließ. Sie warteten bis zum Einbruch der Nacht, dann nahmen sie ihre tapsende Patrouille
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