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Fluch des Südens: Ein Fall für John Gowers (German Edition)

Fluch des Südens: Ein Fall für John Gowers (German Edition)

Titel: Fluch des Südens: Ein Fall für John Gowers (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Daniel Twardowski
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Heiterkeit verwandelte sich in Ärger.
    »Und Sie? Was treiben Sie hier im Dunkeln wie Hamlet in Helsingör?«
    Aus Ärger wurde wieder Erleichterung.
    »Ich bin heute Nachmittag hier angekommen und habe ein paar Stunden an Deck gewartet, aber dann hatte ich plötzlich die Idee, dass Sie vielleicht Verfolger am Hacken haben, wenn Sie kommen, und dachte, es könnte nicht schaden, den Kessel vorzuheizen. Dann hörte ich jemanden an Deck herumschleichen und glaubte, dass es meine Hacken wären, an denen die Verfolger kleben. Wo sind die anderen?«
    »Warten auf mein Signal. Wir wussten ja nicht, wer sich hier inzwischen herumtreiben würde.«
    »Alles glattgegangen?«
    »Wir mussten uns ein wenig schlagen, aber es sind alle da, wenn Sie das meinen.«
    »Erzählen Sie«, verlangte Lafflin und korrigierte sich sofort. »Oder nein. Holen wir erst die Leute an Bord, dann müssen wir nicht alles dreimal erzählen!«

91.
    James Fagan schlief sehr friedlich, seit sein Schiff Australien verlassen hatte. Ihn hatte kein schlechtes Gewissen, hatten nicht die Erinnyen umgetrieben, sondern allein die Angst, ganz zuletzt doch noch erwischt zu werden. Diese Furcht war nun gebannt. Er konnte sogar wieder über seine Tat nachdenken.
    Ja, es war falsch gewesen, die Kinder umzubringen; besser, er hätte sie irgendwo versteckt und die Erpressung fortgesetzt, Nell und die anderen aus dem Gefängnis geholt. Aber wie hätte er das machen sollen, allein und auf sich gestellt? Außerdem war da
diese Frau gewesen, sie zumindest hatte er töten müssen, sagte er sich. Das Einzige, was er wirklich bedauerte, war die Tatsache, dass er sein Messer zurückgelassen hatte. Dachte er dagegen an Jonathans verzerrtes Gesicht, an Mairies weißen Körper, an die erstickten Laute aus ihrem Mund, bekam er fast immer eine Erektion und ging auf einen der Aborte dicht über der Wasserlinie, um sich Befriedigung zu verschaffen.
    Fagan konnte natürlich weder lesen noch schreiben. Frank Sykes hatte ihm einiges berichtet, was in den Zeitungen stand, aber irgendwann aufgehört, mit ihm zu reden. Jamie wusste also, dass Nell tot war, hatte den Namen John Gowers gehört und sich zusammengereimt, dass dies der Mann war, dem sie den ganzen Schlamassel zu verdanken hatten. Aber Angst hatte er auch vor ihm nicht, nicht, seit er in der Armee und auf dem Weg nach Neuseeland war. Wer sollte ihn dort noch finden? Und gesetzt den Fall, jemand würde es versuchen, wer kannte den Namen James Bradley? Nur um ganz sicherzugehen und weil er absolut keine Lust verspürte, irgendwelchen idiotischen Befehlen länger zu gehorchen als unbedingt nötig, beschloss James Fagan, noch ehe er in Wanganui Town an Land ging, so bald wie möglich zu desertieren. Das allerdings war nicht ganz einfach.
    Wanganui Town lag auf der Westseite des trägen, breiten Wanganui River. Die britischen Kolonialtruppen in Neuseeland, deren größter Teil zwanzig Jahre lang hier stationiert gewesen war, hatten einmal einen Versuch gemacht, eine Brücke über den Fluss zu bauen, aber aufgrund seiner Breite und der Unberechenbarkeit seiner Sandbänke hätte das Projekt mehr als die Hälfte ihres Jahresbudgets verschlungen, sodass sie sich schließlich mit einer Drahtfähre zufriedengaben. Im Oktober 1867, zur Verabschiedung der britischen Armee, hatte der französische Seiltänzer Monsieur Vertelli den Fluss auf diesem Drahtseil laufend überquert, aber sein Angebot, Passagiere in einer Schubkarre hinüberzubefördern, hatte niemand wahrgenommen.
    Tatsächlich waren die vorgesetzten Offiziere sowohl der Briten als auch der neu geschaffenen neuseeländischen Armee insgeheim dankbar dafür, dass die Überquerung des Wanganui so viele Schwierigkeiten machte  – denn auf seinem Ostufer begannen die Straße nach Wellington und der Weg in die Zivilisation. Die Westseite, auf der noch immer die beiden nun beinahe menschenleeren britischen Forts York und Rutland lagen, war für potenzielle Deserteure viel unattraktiver: Man konnte dort nur nach Westen oder Norden fliehen, jedenfalls in die Wildnis, den undurchdringlichen Busch oder den schmalen, mehrheitlich von loyalen Veteranen besiedelten Küstenstreifen.
    James Fagan war nicht allein mit seinem Entschluss. Viele entwurzelte Existenzen nutzten die Gelegenheit der Anwerbung, um eine kostenlose Passage nach Neuseeland zu bekommen und dann dort, auf der friedlichen, kalten Südinsel, nach der Unmenge Gold zu suchen, von der man in jeder Hafenkneipe Australiens und der

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