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Fluch des Südens: Ein Fall für John Gowers (German Edition)

Fluch des Südens: Ein Fall für John Gowers (German Edition)

Titel: Fluch des Südens: Ein Fall für John Gowers (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Daniel Twardowski
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aus dem Lager gejagt. Gowers folgte ihnen
heimlich in einigem Abstand und vergewisserte sich, dass sie gefahrlos zur Nachhut der auf dem Rückzug befindlichen Miliz stießen, um von ihren unschönen Erlebnissen zu berichten. Als sicher war, dass niemand sie mehr beobachtete, eilte er zurück, denn nun ging es darum, das Lager möglichst schnell abzubrechen und die drei Dutzend Menschen ungesehen an Bord der Deep South zu bringen.
    Obwohl kaum jemand von ihnen in der letzten Nacht geschlafen hatte, kamen sie erstaunlich gut voran, was zweifellos an der Hochstimmung lag, in die ihr überraschender Sieg die ehemaligen Sklaven versetzt hatte. Nur wenige hatten an diesem Nachmittag, diesem ersten Abend eine klare Vorstellung davon, wohin sie eigentlich gingen. Sie tauschten sich fröhlich über die ungläubigen, dummen Gesichter aus, die ihre Herren gemacht hatten, und gerade die jungen Männer schienen überzeugt, sich mit den erbeuteten Waffen den Weg nach Norden zur Not freischießen zu können, wie Gandalod es vorgeschlagen hatte.
    Wo war Gandalod? Deborahs Antwort darauf ernüchterte sie, und wieder wurde ihnen bewusst, dass noch mehr als tausend Meilen Fluss zwischen ihnen und ihrer Freiheit lagen. Die Nacht verlief ruhig, der Morgen geordnet. Sie hatten ein gewisses Geschick und auch die nötige Geduld entwickelt, um Wasserläufe mithilfe des kleinen, an Seilen hin- und hergezogenen Kanus zu überschreiten und auf dem Marsch zusammenzubleiben. Ohne weitere Rast, im Gehen essend, trinkend, erreichten sie die Gegend um Myrtle Grove schon am zweiten Abend. Nun musste festgestellt werden, ob das Schiff sicher war, und wer war besser für diese Aufgabe geeignet als ihr Lotse?
    Gowers wartete die völlige Dunkelheit der Mitternacht ab und ging erst los, als außer ihm selbst niemand mehr einen Pfad erkennen konnte. Geräusche und Gerüche wurden ihm allmählich vertrauter, als er sich dem großen Fluss näherte, und er sah bereits die beiden Schornsteine der Deep South schwarz gegen den sternklaren Himmel, als er hörte, wie sich ein schwerer, lastender Körper auf die Uferböschung zog und sich in kurzen, knackenden Schüben durchs Unterholz
wälzte. Zu der Sorge, was ihn an Bord erwarten würde, kam die Frage, was sein Entermesser gegen die Alligatoren ausrichten könnte, wenn sie auf ihrer nächtlichen Jagd waren.
    Dennoch konnte er weder warten noch auf einen der Bäume klettern und musste sogar an der dunklen Uferböschung nach der drei Meter langen Planke suchen, die man einige Hundert Yards neben dem Schiff versteckt hatte. Zum ersten Mal auf der gesamten Reise standen ihm die Haare zu Berge, als er sie, mit beiden Händen im feuchten Gestrüpp tastend, endlich gefunden hatte. Jeden Moment glaubte er, das Zuschnappen gewaltiger Kiefer zu hören, und atmete auf, als er, die Planke über der Schulter, wieder auf dem halbwegs freigeschlagenen Pfad stand, der zum Schiff führte.
    So geräuschlos wie möglich legte er die Planke an und befand sich einen Moment später an Deck. Er inspizierte kurz das Schiff vom Bug bis zum Heck und fand alles unverändert. Erst als er das Innere betrat, verriet ihm ein schwacher, rötlicher Schimmer aus dem Kesselraum, dass er nicht allein an Bord sein konnte. Vorsichtig, das altertümliche Entermesser vorgestreckt, schlich er zu der entsprechenden Tür. Eine Sekunde lang überlegte er, ob er einfach mit einem Schrei hineinstürzen sollte, aber dann entschied er sich dafür, sie lieber mit dem Fuß aufzustoßen.
    Die Wucht, mit der die eiserne Kohlenschaufel in Höhe seines Kopfs gegen die Türfüllung knallte, ließ das ganze Schiff erzittern, und Gowers beglückwünschte sich zur Richtigkeit seiner Entscheidung, während er sich auf den Mann stürzte, der den Griff der Schaufel in der Hand hielt und noch nicht zu einem zweiten Schlag ausholen konnte.
    »Himmel, Mr. Gowers!«, rief der Mann, ehe es zu schwerer wiegenden Tätlichkeiten kommen konnte.
    »Kapitän?!«, sagte Gowers erleichtert, und im gleichen Moment mussten beide laut lachen, weil sie sich noch immer gegenseitig am Kragen gefasst hielten.
    »Das nenne ich eine Begrüßung«, sagte John Lafflin schließlich. »Zwanzig Jahre jünger, und Sie wären Matsch gewesen!«
    Gowers konnte nicht umhin festzustellen, dass auch so nicht viel
gefehlt hatte, und fügte hinzu: »Wenn dieses Messer kein Säbel wäre, würde es jetzt in Ihrem Bauch stecken, Sir.«
    »Warum zum Teufel schleichen Sie sich an wie ein Wilder?« Lafflins

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