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Fluch des Südens: Ein Fall für John Gowers (German Edition)

Fluch des Südens: Ein Fall für John Gowers (German Edition)

Titel: Fluch des Südens: Ein Fall für John Gowers (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Daniel Twardowski
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Südsee redete. Die Otago-Halbinsel war das neue El Dorado, dem einige dieser Männer bereits seit einem Menschenleben und um die ganze Welt nachgejagt waren. Es war also für Fagan verhältnismäßig leicht, Fluchtgenossen zu finden und sich einer kleinen, entschlossenen Gruppe von Deserteuren anzuschließen.
    Krczynski war ein Pole, dessen Namen niemand aussprechen konnte und der deswegen von allen Bob genannt wurde. Wenn alles stimmte, was er erzählte  – und er erzählte eine Menge  –, hatte er sich als junger Mann in seiner Heimat mit allerhand Deutschen, Russen und Österreichern, Kaisern, Königen, Großfürsten herumgeschlagen, die einen Preis auf seinen Kopf ausgesetzt hatten. Er war erst nach Frankreich und dann zur See gegangen, war 1849 nach Sacramento gekommen, 1853 nach Ballarat und redete viel von den Goldgräberrepubliken, die er immerfort mitbegründet hätte.
    Seit dem Mittelalter waren es Unruhige wie Krczynski gewesen, die am unteren sozialen Rand politischer und religiöser
Bewegungen oder aus purer wirtschaftlicher Not die Fesseln der Stände- und Klassengesellschaften Europas zu sprengen versuchten und in Soldaten-, Seeräuber- oder eben Goldgräberrepubliken ihre kurzlebige Heimat fanden. Sie waren die revolutionäre Hefe, in der die großen Begriffe Freiheit, Gleichheit und Brüderlichkeit jahrhundertelang gärten, ehe sie das politische Licht der Welt erblickten. Die gescheiterten Revolutionen von 1848 hatten Männer wie ihn um den Globus getrieben, wie der Wind wilde, zähe Samenkörner über trockenen Boden treibt. Die meisten gingen elend zugrunde; verhungert, erschlagen, korrumpiert und zu Tode gesoffen, namenlos untergegangen im großen Sumpf der Geschichte. Aber einigen wenigen verdankte ebendiese Geschichte manches von dem, was wir heute Menschenrechte und Demokratie nennen.
    James Fagan war das begreiflicherweise egal. Für ihn war Bob ganz einfach ein Macher, ein guter Organisator, unter dessen Fittichen ihm am wenigsten Gefahr drohte. Sie desertierten in bester militärischer Ordnung. Krczynski war noch auf dem Schiff aufgrund seiner Erfahrung, seines Einflusses auf die Männer und seiner Aufdringlichkeit zum Korporal avanciert, und niemand hatte etwas dagegen, dass er mit seiner Gruppe zu einer Geländeübung nach Norden aufbrach. Als er am nächsten Tag nicht zurück war, glaubte McDonnell sogar, die kleine Truppe hätte sich verirrt oder sei in Schwierigkeiten, und schickte ihnen ein paar Männer hinterher, die sie suchen und zurückbringen sollten.
    Natürlich hatten die Deserteure da bereits die Stadt umgangen, den Wanganui schwimmend, an Seilen gesichert, überquert und sich nach Osten davongemacht. Krczynski war sogar so klug gewesen, seine Gruppe zu teilen, hatte dem dümmeren Teil den Auftrag gegeben, auf den umliegenden Farmen Zivilkleider zu stehlen, und diesen Männern gegenüber stets die Hawke Bay als sein Ziel angegeben. Die meisten von ihnen wurden erwartungsgemäß geschnappt, und die Übrigen fanden keinen Anschluss mehr an den Haupttrupp, der jetzt auf der Straße nach
Süden unterwegs war, ganz offen, getarnt als Abteilung auf der Jagd nach Deserteuren. Noch ehe man das Ganze durchschaut und berittene Melder losgeschickt hatte, hatten die Deserteure das hundertfünfzig Meilen entfernte Wellington erreicht,wo sie sich zum zweiten Mal aufteilten.
    Krczynski hatte sie Tag und Nacht so vorangetrieben, dass die meisten, unter ihnen James Fagan, nur noch an Schlafen, Trinken und Frauen dachten. Obwohl Wellington seit fünf Jahren Sitz des Parlaments und seit drei Jahren Hauptstadt von Neuseeland war, ging die Bevölkerungszahl doch noch nicht wesentlich über sechstausend Einwohner hinaus. So fiel es der Polizei relativ leicht, auch dieser Handvoll Desperados in der überschaubaren Zahl entsprechender Etablissements in Lambton Harbour habhaft zu werden. Nur der schlaue Pole und zwei oder drei andere hatten sich mit dem erstbesten Schiff auf die Südinsel abgesetzt. Krczynski hatte sich dabei, wohl um ganz sicherzugehen, den Namen James Bradley angeeignet.

92.
    Sie umrundeten Taupo Lake auf dem gut ausgetretenen Fußpfad, der auf der Ostseite um den See herumführte. Die genossene Ruhe und die anhaltende Trockenheit begünstigten ihren Marsch so sehr, dass sie binnen zweier Tage das südliche Ufer erreichten, obwohl sie dabei nicht weniger als siebzehn kleinere Flüsse und Wasserläufe zu überqueren hatten. Am sandigen Ufer des Tokanui, der von den Hängen

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