Fluch des Südens: Ein Fall für John Gowers (German Edition)
der Deutsche. »Jedenfalls, nachdem es mit dem Überfallen schon nicht geklappt hat. Aber wenn wir auch nur einen von ihnen erschießen, wird ein Fall von Blutrache daraus, und sie werden auch an den fernsten Grenzen ihres Gebiets nicht aufhören, uns zu jagen!«
Diese Vorstellung behagte niemandem, denn nun lag der schlimmere Teil ihres Wegs vor ihnen: die wüsten Lavaebenen rund um die großen Vulkane und danach der undurchdringliche
Wald mit seinen tief eingeschnittenen Flusstälern, die sich zwischen den steilen grünen Hängen einer weglosen Wildnis hindurchwanden, die nicht einmal die Maori ohne Not zu betreten wagten. In dieser Gegend zu allem Überfluss noch nach Blut schreiende Feinde auf den Fersen zu haben wäre mehr als unangenehm. Gehorsam feuerten deshalb die Männer über die Köpfe der hier und da auftauchenden, sehr selbstbewussten Verfolger hinweg, während auch sie sich, einer immer in der Deckung des anderen, die Hänge des Kakaramea hinauf zurückzogen. Erst oben angekommen ließ von Tempsky eine Schützenlinie bilden, die Salve auf Salve in den tiefer liegenden Wald hinunterfeuerte, während das Gros der Truppe immer weiter auf das allmählich karger werdende vulkanische Hochplateau hinausmarschierte.
Am frühen Nachmittag sah Gowers, diesmal bei der Vorhut, aus einer Höhe von gut tausend Metern auf einen Kratersee hinab, dessen Wasser so unglaublich blau war, dass er es zunächst für eine bloße Spiegelung des darüberliegenden Himmels hielt. Die Verfolgung hatte noch immer nicht aufgehört, darum entschied von Tempsky, dass sie ohne weiteres Gefecht durch die baumlose Lavaebene auf den schneebedeckten Tongariro zuhalten würden. Dieser Berg war tabu, und so bestand die Hoffnung, dass ihnen die Tuwharetoa auf ihrem Weg nicht länger folgen würden.
Als sie aus der kahlen Ebene zurückschauten, sahen die Männer ihre Gegner jetzt zum ersten Mal; klein und schwarz gegen den hellen Himmel erhoben sich auf den scharfen Graten der Berge wilde, pittoreske Gestalten, und durch sein Fernrohr erkannte von Tempsky an einzelnen Gesten und Gebärden, dass sie noch immer unschöne Dinge mit Jesus Christus und der Bibel im Sinn hatten. Vereinzelt stiegen sogar Krieger die schartigen Hänge hinunter, ihnen nach, und der Kommandant wusste, dass dies die gefährlichsten waren: blutrünstige junge Männer, wild versessen auf ihren ersten Kampf und die menschlichen
Trophäen, die sie daraus heimbringen würden. Er beschloss, die Nacht durchzumarschieren und Iwiako Te Heuheu damit Gelegenheit zu geben, seine Leute wieder unter Kontrolle zu bringen.
Die karge dunkle Ebene, die von oben so glatt ausgesehen hatte, erwies sich unter ihren Füßen als eine Wüste aus Stein und Geröll; Lavabrocken, von denen einige beinahe mannshoch waren. Glücklicherweise war aber der Tongariro zu groß, als dass sie seinen zerrissenen weißen Kratergipfel aus den Augen verlieren konnten. Bei Einbruch der Dunkelheit hielten sie jedoch kurz an, um sich über die Richtung klar zu werden, die sie während der Nachtstunden zumindest ungefähr einhalten mussten.
Bei dieser Gelegenheit erbot sich John Gowers, die Führung zu übernehmen. Obwohl einige seiner Offiziere, die die Gegend verhältnismäßig gut kannten, dagegen protestierten, einem Neuling, noch dazu einem einfachen Trooper zu folgen, ließ von Tempsky ihn bereitwillig vorangehen. Zwar wusste er nichts vom ungewöhnlichen Sehvermögen des Investigators, traute ihm nach den gemeinsam verbrachten Wochen und den Überraschungen, die er ihm auf See und zu Land schon bereitet hatte, aber allerhand zu.
Der Nachtmarsch verlief auch weitgehend ereignislos, wenn man von den vereinzelten Schüssen absah, die weit hinter ihnen nur mehr verrieten, dass auch die letzten Maori die Verfolgung endlich aufgegeben hatten. Wie in einem Traum, in dem die Wachsamkeit jederzeit in Alb und Bedrohung umschlagen kann, stolperten sie durch ein Labyrinth wirr gezackter, schwarzer Felsformationen und fragten sich, wie ihr Führer inmitten dieses erstarrten Schöpfungschaos seinen Weg finden konnte. Manchmal glaubten sie, auf der Spitze des Berges, der drohend erst vor und dann links neben ihnen in den sternlosen Nachthimmel ragte, ein schwaches rotes Leuchten wahrzunehmen, und der Gedanke an die vulkanische Aktivität unter ihren Füßen verbesserte ihre Stimmung nicht wesentlich.
Es begann zu schneien, sie mussten schon sehr hoch oben sein
und würden bald den schneidenden Südwind in ihren
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