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Fluch des Südens: Ein Fall für John Gowers (German Edition)

Fluch des Südens: Ein Fall für John Gowers (German Edition)

Titel: Fluch des Südens: Ein Fall für John Gowers (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Daniel Twardowski
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Anwesenheit!«, sagte der Quälgeist vor der geschlossenen Tür.
    Er fühlte, wie seine Erektion schwächer wurde; weniger, weil von seiner Mutter die Rede war, sondern mehr wegen der bodenlosen Dreistigkeit dieses unnachgiebigen Störenfrieds. Zu Hause wäre das nicht passiert! Weder der alte Arban noch sonst einer der Hausnigger hätte es gewagt, ihn wegen einer solchen Sache zweimal anzusprechen. Ratlos zögerte er noch eine Sekunde, dann schob er Ohren und Zähne zusammen und wollte sie mit einer einzigen raschen Handbewegung in den Leinenbeutel wischen. Aber der Rand des Beutels bog sich um, und er verstreute sein grausiges Spielzeug stattdessen im ganzen Zimmer.
    »Verdammt noch mal!«, fluchte Bonneterre.
    »Kann ich Ihnen behilflich sein, Sir?«, fragte der Hoteldiener, der nur ein unidentifizierbares leises Klappern gehört hatte.
    »Nein!«, brüllte der junge Kreole wütend und sammelte, mit offener Hose auf dem Boden kniend, Darioletas Zähne wieder ein. Dabei verschwand seine Erektion endgültig, aber er musste auch laut lachen,
als er sich das Gesicht dieses Idioten vorstellte, wenn er ihn hereingebeten hätte: Da unterm Bett liegt noch ein Backenzahn!

95.
    Marie-Therese Helisena Milisande Bonneterre war nach reiflicher Überlegung zu einem harten Entschluss gelangt. Zwar freute sie sich, dass Desmond den widerspenstigen Nigger zuletzt doch noch zum Sprechen gebracht hatte und die Wiederbeschaffung der flüchtigen Sklaven damit zu einer bloßen Formsache geworden war. Aber sie hatte auch in die Gesichter ihrer Nachbarn und Freunde geblickt  – gestern Nacht, während Desmond das Mädchen folterte  – und darin nur Abscheu und Verachtung für ihren Sohn gesehen. Sie teilte diese Gefühle nicht, vielleicht, weil er die Veranlagung zur Grausamkeit von ihr geerbt hatte. Es war ihr auch ziemlich gleichgültig, dass ihm diese Dinge mehr Spaß machten, als einem erwachsenen Mann zukam, aber der Gefahr, dass er mit seinen Neigungen dem Ansehen des Hauses Bonneterre schaden könnte, musste endlich und endgültig begegnet werden.
    Sie würde tun, was sie schon nach der Geburt seines Sohnes, des Erben Bonneterre, hätte tun sollen: Sie würde Desmond nach Europa schicken. Eine ausgedehnte Reise, eine stattliche Apanage, ein, zwei, drei Jahre. Die Änderung ihres Testaments würde sie ihm dann schriftlich mitteilen. Am besten, er käme gar nicht erst wieder mit nach Baton Rouge. Für die Verwaltung der Plantage hatte er sich ja ohnehin nie sonderlich interessiert, nur für die Einnahmen, die sie für ihn abwarf. Und die würden ihm ja bleiben; wenn man sie auch nach und nach kürzen könnte.
    Desmond Bonneterre nahm die honigsüß verpackte Aufforderung, sich gefälligst ein eigenes Königreich zu erobern, äußerlich gelassen auf. Seit er Vater geworden war, hatte er mit so etwas gerechnet. Seine Mutter und er waren einander zu ähnlich, um dauerhaft unter dem gleichen Dach leben zu können. Es gab nur eine Krone, und sie gehörte
nicht ihm. Und hätte er zumindest in Amerika bleiben dürfen, gleich ob im Osten oder Westen, er hätte sich vermutlich ihren Wünschen gefügt. Da er aber auch ihre Intelligenz geerbt hatte, wusste er, dass ihre Aufforderung zu einer Kavaliersto ur durch das alte Europa nichts anderes als die Enterbung bedeutete. Das konnte er natürlich nicht hinnehmen, auch wenn er sehr überzeugend so tat. Er heuchelte eine Liebe zu Frau und Kind, die er nie empfunden hatte, und hoffte, dadurch zumindest Zeit zu gewinnen, die seine Mutter ihm schließlich auch zugestand. Erst zurück in seinem Zimmer kam ihm im Verlauf des trüben Abends ein anderer, größerer Gedanke.
    Gandalod lebte noch, obwohl er alles versucht hatte, um sich zu töten. Das Mädchen, das er liebte, hatte man vor seinen Augen verstümmelt; die Menschen, denen er verpflichtet war, hatte er verraten und war nun in der Hölle, ohne gestorben zu sein. Unter den fürchterlichsten Verrenkungen war es ihm am frühen Morgen gelungen, trotz seiner auf den Rücken gefesselten Hände die Kette an seinen Füßen um seinen Hals zu schlingen, aber dann fehlte ihm die Kraft, sich selbst zu erwürgen. Er schrie in seinen fruchtlosen Bemühungen, und seine Bewacher feuerten ihn an, lachten ihn aus und steckten schließlich einen mit Jauche getränkten Knebel in seinen Mund. So lag er den ganzen Tag über, bis er zu schwach war, auch nur zu weinen.
    Als Bonneterre am späten Abend in die Scheune kam und die Wachen wegschickte, hoffte

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