Fluch des Südens: Ein Fall für John Gowers (German Edition)
meistens auf ihn, weil nur das ihr die Freiheit ließ, sich ihm hinzugeben.
Eines Abends vergaß sie sogar absichtlich, die Kerzen zu löschen, damit er ihre Lust – und sie seine – sehen konnte. Dieses Experiment gaben sie aber rasch wieder auf, weil ihre Hände und Körper einander alles verrieten, was sie wissen mussten, und Blicke nur zwischen ihnen standen. Um Schwangerschaften, glaubte Deborah, brauchte sie sich bei alldem keine Gedanken zu machen, denn eine Menstruation
hatte sie nie gekannt. Als er danach fragte, sagte sie, dass die Sklaverei diesen Teil ihres Körpers zerstört hätte.
Am schönsten waren die Nächte, die sie im Freien verbrachten, unter den Sternen, die sie durch das Okular seines Fernrohrs und ihres Sextanten betrachteten; deren Namen sie in einem alten Astronomielehrbuch suchten und denen sie neue gaben, wenn sie dort keine fanden. Sie schworen wie Kinder, einander nicht zu verlassen, solange Alkor und Mizzar gemeinsam am Himmel stehen, fragten sich, was hinter den Sternen ist, und schliefen manchmal darüber ein, eng aneinandergedrängt. Und obwohl sie nie darüber sprachen, wussten irgendwann beide, warum ihre Nächte schöner waren als ihre Tage. Es gab in der Nacht keine Farben und deshalb nichts, was sie in ihrer Welt, ihrer Zeit voneinander trennen konnte.
135.
Gowers las die ihn betreffende Passage in von Tempskys Brief zweimal, dreimal und fragte sich nur am Rande, wie er es angestellt hatte, schon wieder auf eine derart falsche Fährte zu geraten. Was ihn, fast widerwillig, stattdessen beschäftigte, war das Schicksal, das Gottesurteil, von dem Te Kooti gesprochen hatte. Gab es so etwas?
Hätte er seinen eigenen Willen durchgesetzt, wäre er längst in Otago gewesen und würde vermutlich nie erfahren haben, wo in der Welt James Fagan geblieben war. So erwies sich am Ende alles, was er als richtig erkannt zu haben glaubte, als grundverkehrt, und es waren stattdessen die Umwege, die Rückschläge, die ihn zum Ziel führten. Darin lag für John Gowers jedoch nichts Tröstliches, denn es stellte sein Selbstbewusstsein als planender und nach logischen Schlüssen handelnder Mensch auf eine harte Probe. Von seinem Selbstverständnis als Investigator gar nicht zu reden.
Vielleicht war es diese existenzielle Verunsicherung, vielleicht
auch nur die lange, harte Wanderung, Schlafmangel, Hunger und schließlich das eher erschöpfende als erfrischende Bad, die Nacht auf dem harten Bretterboden der Hütte – jedenfalls konnte er sich am folgenden Tag nicht mehr bewegen. Es musste eine Art Rheumatismus sein, etwas, das er bis dahin nicht kennengelernt hatte. Verwundungen, ja. Schmerzen, ja. Aber mit steifen Knochen dazuliegen, am ganzen Körper gefesselt durch die eigenen verkrampften Muskeln, war etwas Neues.
Fatalerweise kam an diesem Morgen der Wagen, den Emilia mit der letzten Post bestellt hatte. Er kam aus Kopu, einer kleinen Siedlung an der Mündung des Thames River in den Golf von Hauraki. Dort war die Poststation für die südliche Coromandel Range, von dort gab es einen regelmäßigen Schiffsverkehr nach Auckland, den sie für die Übersiedlung ihrer Familie und den größten Teil ihrer beweglichen Habe nutzen wollte. Es gab nur zwei Möglichkeiten: den nahezu bewegungsunfähigen Besucher mitnehmen und auf den halben Hausrat verzichten oder die Kinder mit dem gesamten Gepäck vorausschicken, dem Kutscher eines der beiden Pferde abschwatzen und mit Gowers in zwei oder drei Tagen nachkommen. Nach längerem Hin und Her entschied sich Emilia für das Letztere, vor allem, weil Louis, ihr Ältester, mit seinen elf Jahren bereits sehr erwachsen war.
Nicht genug damit, dass er seine eigenen Pläne nicht verwirklichen konnte, er brachte auch noch die der anderen durcheinander! Dass Emilia von Tempsky für ihn kochte, ihn fütterte und auch die unangenehmeren Aufgaben einer Krankenpflegerin übernahm, war Gowers entsetzlich peinlich. Zeitweise paralysierte die Scham darüber nach seinem Körper auch seinen Geist, und er starrte nur noch teilnahmslos vor sich hin, während sie ihn versorgte wie ein Kind. Sie war eine Pioniersfrau, die gewohnt war, ohne großes Aufheben zu tun, was getan werden musste, und nach mehreren kräftigen Einreibungen mit Kampferöl konnte er gegen Abend immerhin wieder Schultern, Nacken und beide Arme bewegen. In der Nacht legte sie ihn ins
Ehebett und schlief selbst auf dem Boden, in ihren Kleidern, da die Kinder ihr Bettzeug bereits mitgenommen
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