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Fluch des Südens: Ein Fall für John Gowers (German Edition)

Fluch des Südens: Ein Fall für John Gowers (German Edition)

Titel: Fluch des Südens: Ein Fall für John Gowers (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Daniel Twardowski
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ihr rastloser Geist sie führen würden, wenn sie es nicht, wie ihr Mann, endlich aufgab. Im Grunde schlief sie mit beiden: mit von Tempsky, der des Wanderns und der neuen Horizonte müde geworden war, und mit diesem Ahasver der Rache, des Suchens, der nie aufhören würde, unbehaust durch die Welt zu irren. Und als ihr Höhepunkt sie erschütterte, dann langsam abklang, hatte sie sich entschieden. Bis hierher sollst du kommen und nicht weiter! Die große Welle ihrer Sehnsucht war gebrochen.
    »Ich werde das Pferd brauchen«, sagte er, ehe er einschlief.
    »Ich weiß«, antwortete Emilia.

136.
    Noch immer hatten sie sich nicht alles erzählt, denn zwei Vierteljahrhunderte Leben ließen sich kaum in der kurzen Zeit zusammenfassen, die sie einander hatten. Immerhin waren sie weit gekommen und schon bei ihren Schlafgewohnheiten als Kinder angelangt. Deborah schlief meist auf der Seite und brauchte eine Wand in ihrem Rücken. Da die leider oft kalt gewesen war, spürte sie schon als junge Frau das unangenehme Ziehen einer rheumatischen Erkrankung im Nacken und die ganze Wirbelsäule hinunter. Irgendwann ließ sie zu, dass Johns kräftige Finger diese Verkrampfungen lockerten, aber stets über dem Kleid, dem Nachthemd, weil sie nicht wollte, dass er ihre Narben berührte.
    Erstaunt stellte sie dabei fest, dass sie selbst unter seinen Händen
die Narben völlig vergaß und dass auch die Schmerzen in ihrem Rücken einem tiefen, warmen Wohlgefühl wichen, als sei etwas in ihrem Innern allmählich weich und elastisch geworden. Manchmal drehte sie ihm sogar den Rücken zu und schlief ein, wurde er ihre Wand gegen den Wind und den Regen, gegen die Feindschaft der Welt. John legte dabei gern ein Ohr zwischen ihre Schulterblätter und horchte auf den dunklen, gleichmäßigen Schlag ihres Herzens  – bis er ihr erzählte, dass er das schon als Kind getan hatte, bei einem kleinen Mädchen namens Mary-Ann, mit dem er das Bett teilen musste.
    Da wollte sie es natürlich auch probieren, fühlte, genoss es, als der Friede seiner Atemzüge in ihre Seele hinabklang, und nun begannen ihre Nächte meist mit einem fröhlichen kleinen Ringkampf, bei dem jeder versuchte, hinter den Rücken des anderen zu kommen, und der meist mit der Vereinigung ihrer Körper endete. Dabei stellten sie fest, dass sich ein ganz ähnliches Gefühl immer dann ergab, wenn sie Brust an Brust lagen, einer den warmen Atem des anderen auf den Lippen spürte und ihre Hände einander umschlossen hielten. Manchmal schliefen sie in dieser seltsamen Stellung ein.
    Mit äußerster Verwunderung registrierte John eines Morgens, dass Deborah, während sie noch im Bett lagen, eine rohe Zwiebel aß, obwohl ihr beim Abbeißen die Tränen bis in die Mundwinkel liefen. Sie konnte selbst nicht sagen, warum sie das tat, außer dass ihr eben danach gewesen sei. Mit großer Anstrengung verbarg sie vor ihm, dass ihr jetzt auch fast ständig übel war, denn er hätte versucht, sie zu einem Arzt oder einen Arzt zu ihr zu bringen, und nicht um den Preis ihres Lebens hätte Deborah zugelassen, dass ein fremder weißer Mann ihren Körper berührte, untersuchte oder auch nur ansah. Sie selbst hatte irgendwann eine Vermutung, gewachsen aus der Erinnerung an die schwangeren Frauen, die sie in den Sklavenhütten ihrer Jugend gesehen hatte. Aber das war ja nicht möglich, und zum ersten Mal seit langer Zeit beschloss sie, nicht mit ihm über das zu reden, was sie beschäftigte. Vielleicht ging es ja von allein wieder weg.
    John spürte, dass sie sich ein wenig von ihm zurückzog, und glaubte, dass es an ihrer Tatenlosigkeit liegen müsse, dass sie wieder hinauswollte
in den Kampf, in dem sie mit der Hälfte der Vereinigten Staaten lag. Ohne es sich selbst einzugestehen, hatte er sich von Anfang an vor genau diesem Moment gefürchtet, denn er wusste, dass es noch immer etwas in ihrem Leben gab, von dem er nicht Teil war, und dass er sie nicht aufhalten konnte, wollte oder durfte, wenn dieses Etwas sein Recht forderte. Er würde mit ihr gehen, überallhin, obwohl er nicht wollte, dass sie ging. Aber als sie nicht ging, keine Anstalten machte, nahm er an, dies geschähe aus Rücksicht auf ihn oder weil sie nicht glaubte, dass er völlig auf ihrer Seite war. Das kränkte ihn, und nun war John es, der sich zurückzog.
    Deborah bemerkte es, verstand es aber nicht, war auch zu sehr mit dem Leben beschäftigt, das in ihr wuchs. Sie fragte ihn irgendwann vorsichtig nach seiner Meinung darüber, ob

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