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Fluch des Südens: Ein Fall für John Gowers (German Edition)

Fluch des Südens: Ein Fall für John Gowers (German Edition)

Titel: Fluch des Südens: Ein Fall für John Gowers (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Daniel Twardowski
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hatten.
    Am zweiten Morgen fühlte er sich besser, konnte sich sogar schon ohne ihre Hilfe im Bett aufsetzen und sah durch die offene Tür zur Küche, wie Emilia, ungeniert vor den fremden Blicken, ihre eigene Körperwäsche vollzog. Sie tat das überlegt und wollte ihm dadurch seinen hilflosen Zustand erträglicher machen, denn sie wusste, dass Männer in physischen Angelegenheiten viel heikler waren als Frauen. Sie hatte schon mit neun Jahren ihre kleinen Brüder gebadet, zerrissene, schmutzige Unterwäsche geflickt und gewaschen und spätestens mit Einsetzen der Menstruation ihren Körper als eine Art Maschine kennengelernt, deren Funktionen eben bisweilen der Unterstützung durch einfache, resolute Handgriffe bedurften. Er sollte nicht denken, dass an ihm etwas Besonderes war. Dennoch registrierte Emilia verwundert, dass ein sehr eigenwilliger Kitzel sie überlief, als sie sich vorstellte  – denn sie sah ihn natürlich nicht an  –, dass er ihr zuschaute.
    Sie war eine schöne Frau; nicht so exotisch schön wie die Wahine oder die vielen Farbigen, die er gesehen hatte, nicht mehr so schlank und straff wie die jungen Mädchen in den Hurenhäusern, die er mit Vorliebe aufsuchte. Man sah ihrem Körper an, dass sie ihr halbes Leben gelebt hatte. Schwangerschaften, harte Arbeit und ganz einfach die vergehende Zeit hatten ihre Spuren hinterlassen. Ihre Schönheit hatte nichts Geheimnisvolles, sondern etwas Vertrautes und lag in der Selbstverständlichkeit ihrer Bewegungen, war wie ein Lied, das man einmal geliebt, aber lange nicht mehr gehört hat. Die Vorstellung, sie zu berühren, versetzte ihn in die freudige, aber nicht zwangsläufig lüsterne Erregung, die auch der Gedanke auslöst, von einer langen, sinnlosen Reise nach Hause zu kommen. John Gowers lächelte, und während er ihr zunächst nur verstohlen und mit schlechtem Gewissen zugeschaut hatte, wünschte er sich jetzt, sie würde sich umdrehen und sein Lächeln sehen.
    Emilia hatte ihren Mann erst einmal betrogen; mit einem Schullehrer in Bendigo, der dabei Vater ihrer Tochter Lina geworden war, ohne dass von Tempsky es auch nur ahnte. Er hatte sie einmal zu oft allein gelassen, war nach Melbourne gefahren, um sich einer idiotischen Expedition in die Wüsten Australiens anzuschließen, hatte nach Abenteuern gesucht, während seine Frau sich zwischen Windeln und Wäsche, Kochen und Saubermachen in einem staubigen Alltag verlor. Sie war müde gewesen, traurig, enttäuscht  – und der Lehrer ein kluger, höflicher, älterer Mann, der es geschickt verstand, diesen Umstand für sich zu nutzen; wie ein alter Wolf, der seinen Samen nicht mehr durch Kampf und Kraft, sondern durch List verbreiten muss. Nach wenigen nicht allzu auf regenden, aber auch nicht langweiligen Begegnungen hatte Emilia wieder Kraft geschöpft, und sie hatten sich höflich und klug wieder in ihr jeweiliges Leben zurückgezogen. Und erst viel später fiel ihr auf, dass der Lehrer, genau wie John Gowers in diesen Tagen, eine Schwäche und Verletzlichkeit ausgestrahlt hatte, die sie reizte und stark machte. In der dritten Nacht legte sie sich zu ihm.
    Er hatte den ganzen Tag eine grobe Übersichtskarte der Nordinsel studiert, und sie sah in seinen Augen, dass sein Geist bereits unterwegs in den Süden war. Emilia hatte diesen Blick durch sie und die unmittelbare Umgebung, gewissermaßen durch die Gegenwart hindurch, oft genug an ihrem Mann gesehen und auf eine sonderbare Weise lieben gelernt. Gowers’ Aufmerksamkeit hatte sie lediglich erregt, als sie kräftiger als am Vortag wieder Leben in seine verkrampften Gliedmaßen rieb. Am Abend war er zum ersten Mal wieder aufgestanden, hatte sogar Feuerholz gehackt und wollte auf dem Boden schlafen.
    Das ließ Emilia jedoch nicht zu, und als sie sich schließlich zu ihm legte, glaubte er zu wissen, warum. Aber es war ganz anders. Einige Minuten lang stand die Erinnerung an von Tempsky zwischen seiner Lust und der Frau des einzigen Mannes, den er in dieser fremden Welt seinen Freund nennen konnte. Aber dann
fiel ihm jener Morgen in Wanganui ein, und Takiora, die schöne, wilde Maori, die er im Bett seines Freundes gesehen hatte, und die Lust besiegte das schlechte Gewissen.
    Es war anders als mit dem Schullehrer in Bendigo; sie schlief nicht wegen ihrer Enttäuschung oder seiner Schwäche mit John Gowers. Sie hatte etwas in ihm gesehen, was sie zugleich erschreckte und entzückte, nämlich die endlose, wilde Leere, in die ihr unruhiges Fleisch,

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