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Fluch des Südens: Ein Fall für John Gowers (German Edition)

Fluch des Südens: Ein Fall für John Gowers (German Edition)

Titel: Fluch des Südens: Ein Fall für John Gowers (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Daniel Twardowski
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führen.
    Deborah aber ging mit Syrah zum Ufer des Mississippi und sprach lange über ihren Zustand und ihre Gedanken darüber. Dass sie das Gefühl hatte, nicht mehr Herrin über ihren Körper zu sein, nicht mehr tun zu können, was immer sie wollte, nur noch eine Sklavin der blinden Natur zu sein.
    »Das ist es nicht«, sagte die weise alte Frau und schüttelte den Kopf. »Du stellst diese Fragen, und weil du sie stellst, stellen kannst, bist du nicht Sklavin, sondern Herrin deiner selbst. Was dich kränkt, ist dies: Du bist eine Kämpferin gewesen, all deine Tage.«
    Sie lächelte milde und zeigte zurück zum Haus, wo die Männer sich mit einem wahren Riesen von Wurzel abplackten. »Wie sie. Du kannst es an ihren Augen sehen. Die Kämpfer schlagen die Urwälder weg und töten die Ungeheuer darin. Sie können die wilden Tiere vertreiben und vielleicht auch noch Zäune bauen, aber sie können nichts zum Wachsen bringen. Ich …« Sie schaute auf ihre eigenen Hände, drehte sie in der Abendsonne, bis auch Deborah sie ansah. »Ich bin ein Pflanzer. Ich bringe Dinge zum Wachsen. Nicht alle Dinge, o nein.
Ich bin nicht gütig. Ich entscheide, was wächst und was nicht. Das ist meine Aufgabe.«
    Die alte Frau nahm jetzt Deborahs Hände in ihre. »Es gibt eine Zeit, in der man kämpft, und eine Zeit, in der man pflanzt. Und wenn du wissen willst, in welcher von beiden du lebst, dann frag dich, wofür du gekämpft hast und kämpfen willst.«
    »Für die Freiheit«, sagte Deborah leise. »Meine, deine und die von Tausenden Sklaven, die noch dort unten sind!« Sie schüttelte Syrahs Hände ab und zeigte den Fluss hinunter, auf dem schon keine Sonne mehr lag und der dunkel und schweigend nach Süden floss.
    »Und das, was in deinem Bauch wächst, darf nicht frei sein?« Die Alte erhob sich und ließ Deborah mit dieser Frage allein. Als sie zum Haus zurückkam, wo Gowers eben die Hacke weggestellt hatte und seine müden Knochen streckte, sagte sie: »Geh zu ihr, Engländer. Sie braucht dich.«
    Auch Gringoire schaute bei diesen Worten auf. »Hat er ihr wehgetan?« , fragte er und sah dabei aus, als sei er bereit, dem jungen Mann nachzulaufen und ihm die Axt über den Schädel zu schlagen.
    »Nicht mehr als du mir«, antwortete seine Frau.

137.
    Als John Gowers am 26. August 1868 zu seiner dritten Durchquerung der neuseeländischen Nordinsel aufbrach, hatte der Krieg im Süden einen toten Punkt erreicht. Nahezu alles ging nahezu allen jämmerlich schief.
    Titokowaru wusste, dass sein Dorf Te Ngutu o te Manu beziehungsweise die Tatsache, dass McDonnell seine Position genau kannte, der große Köder war, den er auswerfen musste. Turuturu Mokai, etliche kleine Überfälle auf befestigte Farmhäuser und die Nachschublinien der Patea Field Force sollten die Truppe endlich auf den Pungarehu-Pfad locken, die allen bekannte Verbindung zwischen Te Ngutu und der oberen Furt des Waingongoro
River. Immer wieder ließ er seine Leute in Sichtweite von Camp Waihi provozierende Kriegstänze aufführen, bei denen der junge Ngana, der an der Ermordung der drei Holzfäller beteiligt gewesen war, schließlich erschossen wurde, als er sich zu weit vorwagte.
    Aber nicht einmal dieser Erfolg ihrer Scharfschützen lockte die Pakeha in den riesigen Wald von Ahipaia, denn sie fürchteten Titokowarus Hinterhalte und hatten auch allen Grund dazu. Eine Meile vor Te Ngutu hatte der Häuptling eine Falle anlegen lassen, die so gut getarnt war, dass sogar die Leute, die wussten, dass es sie gab, Schwierigkeiten hatten, sie zu finden. Die Palisade dieser Te Maru o te Whenua genannten genialen Verteidigungsanlage sah dagegen jeder Idiot: Sie verlief quer über den Pungarehu-Pfad und riegelte ihn quasi ab. Aber wehe dem Feind, der versuchen würde, diese Palisade zu nehmen! Versteckte, nahezu unsichtbare Schützenlöcher flankierten beide Seiten der einzig möglichen Angriffslinie, und fünfzehn, zwanzig geübte Schützen konnten hier eine ganze Kompanie aufreiben. Zwei Meilen hinter seinem Dorf hatte Titokowaru hingegen sein eigentliches Material- und Versorgungslager aufgeschlagen. Hier, in Ruaruru, dem Eulennest, hüteten Frauen und Kinder die Nahrungsmittel, die Munition und den bescheidenen Viehbestand der Rebellen. Der Häuptling glaubte, dass dieser geheime Stützpunkt dem Feind völlig unbekannt sei.
    Thomas »Fighting Mac« McDonnell hatte hingegen zwar keine Ahnung von der tödlichen Falle bei Te Maru, aber über das Eulennest war er durch Takiora

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