Fluch des Südens: Ein Fall für John Gowers (German Edition)
ziemlich ruinierte.
Wieder hatte man ihn abgeholt, wieder hatte er baden müssen – nun schon zum dritten Mal in diesem Jahr –, aber dann war er endlich dem großen Mann begegnet, Jacob Edward Harewood, der nach all den Jahren der Entbehrungen und Erniedrigungen offenbar seinen, William Blampins, Wert erkannt hatte und für sich einzusetzen hoffte. Blampin wünschte von ganzem Herzen, seinen Wohltäter nicht zu enttäuschen, und als er hörte, dass es um den alten Bobby Maguire ging, mit dem er zusammen auf dem Holzplatz gearbeitet hatte, glaubte er, dass alles ganz einfach gehen würde. Aber Maguire hatte ihn aus dem Haus geworfen; sein Auftraggeber, der General, wirkte enttäuscht und fragte sich anscheinend, ob seine vier Pfund und all das übrige Groß und Klein nicht eine Fehlinvestition waren.
In diesen dunklen Stunden hatte William Blampin den Plan ausgeheckt, wie man den alten Bobby doch noch drankriegen konnte. Er war kein Verbrecher, aber was blieb ihm angesichts der Hartnäckigkeit, mit der der Reeder an seiner Kandidatur
festhielt, denn anderes übrig? Den General, diesen honorigen Mann, setzte er nur vage von seinen Plänen in Kenntnis, bat ihn lediglich um eine weitere Vorfinanzierung, »um die Sache zu einem erfolgreichen Ende zu bringen« – an dieser Formulierung hatte er lange gefeilt, und er war stolz auf sie. Er klang allmählich wie ein erfahrener alter Geschäftsmann, und der General hatte ihm das Geld tatsächlich gegeben, ohne zu wissen, was er dafür bekommen würde.
Ein Problem war die Durchführung. Blampin kannte sich in Melbourne nicht so gut aus wie in Sydney, kannte die richtigen Leute nicht und wandte sich prompt an die falschen; Polizeispitzel, die ihm jedoch, für eine gewisse Summe, die geeigneten Handlanger vermittelten.
Nell Fagan war die Anführerin einer erstaunlich großen Gruppe von Dieben und Schlägern, zu der neben ihrem jüngeren Bruder James noch ein gutes Dutzend anderer irgendwie Verwandter, Cousins, Cousinen und ein entfernter Onkel gehörten. Sie alle waren sehr jung, jünger als Nell, selbst der Onkel war noch nicht dreißig, und sie sicherte sich die Führung, indem sie die einen schlug, mit den anderen schlief und vor allem immer wieder erfolgreiche Beutezüge in die City organisierte. Die lukrativsten dieser Unternehmungen verdankte sie wiederum den Informationen der Victorian Police – und auf diese Weise lernte sie auch William Blampin und sein Anliegen kennen.
Sie einigten sich darauf, dass Nell für eine gewisse Summe die Kinder der Maguires aus dem Verkehr ziehen würde, bis Blampin sein Ziel, das er gegenüber dem jungen weiblichen Räuberhauptmann nie näher definierte, erreicht hätte. Danach könnte Nell dann auf eigene Rechnung ein Lösegeld in beliebiger Höhe fordern. Den Kindern selbst dürfe kein Leid geschehen.
Es war ein durchdachter Plan, aber leider hatten weder Nell noch ihre Bande sonderlich viel Erfahrung auf diesem Gebiet. So fiel ihnen kein besseres Versteck ein als ihre eigene, ohnehin schon zu enge Wohnhöhle im verwilderten Norden, und die
ständige Bewachung und Versorgung der kleinen Gefangenen ging ihnen sehr bald auf die Nerven. Das alles war unbequem, brachte Nell aber auf die gute Idee, mehrmals Nachforderungen an ihren Auftraggeber zu stellen, ja gewissermaßen ihn zu erpressen.
Schließlich verlangte sie eine tägliche Zahlung, und Blampin, dem die Mittel fehlten, sah sich gezwungen, den General über die Sachlage zu informieren. Der tobte zuerst, ließ sich dann aber auf das Spiel ein – um die Kinder womöglich zu einem geeigneten Zeitpunkt von seiner Bürgermiliz befreien zu lassen. Das würde nicht nur seinen Ruf als Ordnungspolitiker festigen, sondern auch außerordentlich generös wirken.
Maguire konnte dann tun, was er wollte; sich still und leise aus der Politik zurückziehen oder aber die Entführung öffentlich machen und die Wahl gegen den Befreier seiner Kinder verlieren. Glücklicherweise tat er zunächst einmal gar nichts – außer zur Polizei zu gehen, die Harewood über alle Schritte seines Gegners auf dem Laufenden halten würde.
Von einer derartigen Verflechtung persönlicher und politischer Absichten ahnte John Gowers nur wenig, als er an diesem Abend mit Sarahs Hilfe seine Nadel in das Wespennest stieß. Und keiner der Beteiligten würde nun noch bekommen, was er wollte.
30.
Nell Fagan wartete an diesem Abend in Hays Tavern, dem letzten Hort rudimentärer Zivilisation vor der
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