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Fluch des Südens: Ein Fall für John Gowers (German Edition)

Fluch des Südens: Ein Fall für John Gowers (German Edition)

Titel: Fluch des Südens: Ein Fall für John Gowers (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Daniel Twardowski
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sah jedoch nur ihren blonden Hinterkopf und verließ daraufhin hastig das Versammlungszelt. Gowers folgte ihm.
    »Ihre Kinder, Madame«, hörte er noch, als der General sich gefangen hatte, »und unser aller Kinder sind die Zukunft Victorias! Wir werden alles tun, um diese Zukunft besser, schöner und sicherer zu machen!«

28.
    In seinen trüben Stunden  – und was konnte trüber sein als eine dreitägige Flaute an Bord eines noch unbeladenen Truppentransporters  – sagte sich Gustav Ferdinand von Tempsky selbstquälerisch, dass er auf allen Gebieten menschlicher Tätigkeit ein Dilettant war  – mit der einen großen Ausnahme: dem Handwerk des Tötens, das er professionell beherrschte. Das lag weniger an seiner Ausbildung als preußischer Offizier, sondern vor allem an einer echten Begabung für den Kampf Mann gegen Mann, mit Messer und Schwert, der in seinem Jahrhundert leider weitgehend aus der Mode gekommen war. Genau genommen hatte ihn diese archaische Fähigkeit für die zivilisierteren Formen der Kriegsführung sogar disqualifiziert. Nur am Rand der bürgerlichen Gesellschaft, in den Goldgräberlagern oder eben den gelegentlichen Buschkriegen der europäischen Kolonialmächte, konnte derlei Handarbeit einem Mann noch zu Macht oder wenigstens zu Lohn und Brot verhelfen.
    Er war ein hoffnungslos verspäteter Ritter, Romantiker, fahrender Sänger, gestrandet eher in der Zeit als im Raum, verschlagen nicht so sehr ans Ende der Welt, sondern ins Zeitalter von Maschine und Industrie. All seine übrigen »Berufe«, journalistisches oder gar literarisches Schreiben, das Zeichnen von Karikaturen, das Aquarellieren, betrachtete er in solchen Momenten als bloße Liebhabereien, die seiner adligen Herkunft geschuldet waren. Leider kollidierte das Wissen um diese Herkunft immer wieder mit einem geradezu bürgerlichen Arbeitsethos, das er sich in seiner Zeit als Kolonist in Mittelamerika angeeignet hatte. Auch dort ging es um profane Handarbeit: Häuser bauen, Brunnen bohren, Felder roden, Möbel tischlern  – alles Dinge, die er zwar halbwegs, aber nicht sehr gekonnt beherrschte.
    Der Umgang mit Feder und Pinsel fiel ihm dagegen leichter,
und die dazugehörigen Künste waren ihm von Kindheit an vertraut. So vertraut allerdings, dass seine diesbezüglichen Kenntnisse seine entsprechenden Fähigkeiten weit überstiegen und ihn  – wie gesagt: in seinen trüben Stunden  – zu der vernichtenden Einsicht brachten, dass sein Schaffen immer dilettantisch, seine Werke stets epigonal bleiben würden. Er hatte sich auch damit abgefunden und hätte gerne und mit Freuden nur mehr gesungen, »wie der Vogel singt, der in den Zweigen wohnet«, wenn die letzten beiden Jahre nicht so hart gewesen wären. Seit seiner Entlassung als Kommandant der gefürchteten Forest Ranger hatte von Tempsky kein festes Einkommen mehr gehabt.
    Wieder einmal schien sich zu bestätigen, was sein Schwiegervater, der schottische Handelsagent James Stanley Bell, seiner Tochter Emilia prophezeit hatte, als sie zum ersten Mal davon sprach, die Werbung dieses unruhigen deutschen Abenteurers, der zudem fünf Jahre jünger war als sie, möglicherweise anzunehmen.
    »Du wirst weder Dach noch Tisch, weder Bett noch Brot besitzen!« Beim zweiten Anlauf des unpassenden Freiers modifizierte Bell seine Einwände zu einem säuerlichen: »Mit dem wirst du keine ruhige Minute haben«, aber darauf hatte Emilia inzwischen eine passende Antwort parat: »Das will ich doch sehr hoffen, Pa!«
    Drei Kinder, zwölf Jahre und siebzehntausend Kilometer lagen zwischen Emilia und dieser hochherzigen Entgegnung, als die Prognose ihres würdigen Erzeugers die kleine Familie wieder einmal einzuholen schien. Von Tempskys finanzielle Lage war zuletzt so verzweifelt, dass er über den Schatten seiner eigenen künstlerischen Einsicht sprang und für Geld malte, jedenfalls, nachdem niemand anderes als Emilia eine glänzende Idee gehabt hatte, wie sich seine mäßigen bis mittelmäßigen Gemälde auch tatsächlich an den Mann bringen ließen.
    Neuseeland war kulturell unterentwickelt. Es gab weder einen Kunstmarkt noch Künstler, die ihn belieferten, oder Käufer, die
ihn vermissten; sehr schlechte Voraussetzungen also, um von der Kunst zu leben. Die Siedler in den wenigen Städten, die Pioniere auf dem Land hatten noch mehr damit zu tun, stabile Häuser zu errichten, als zu überlegen, was man an ihre Wände hängen könnte. Ihre Kaufkraft war zudem genauso wenig ausgeprägt wie

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