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Fluch des Südens: Ein Fall für John Gowers (German Edition)

Fluch des Südens: Ein Fall für John Gowers (German Edition)

Titel: Fluch des Südens: Ein Fall für John Gowers (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Daniel Twardowski
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ihr Kunstverstand  – aber eine Verlosung der Gemälde musste doch eigentlich die Spielernatur dieses robusten, einfachen Menschenschlags ansprechen, der seinem Glück letztlich um die ganze Welt nachgejagt war.
    Wenn nur tausend Kolonisten bereit waren, je einen Dollar darauf zu setzen, eines der rund vier Dutzend Gemälde zu gewinnen, die von Tempsky zu diesem Zweck in rascher Folge anfertigte, war seine Familie wieder für ein Jahr in der kleinen Hütte auf der Coromandel Range geborgen. Die notwendige Berühmtheit hoffte er durch seine Kriegstaten erlangt zu haben, Ausstellungen in Auckland und Wellington würden auch die Bilder bekannt machen, und kein Geringerer als Gouverneur Grey war bereit, die Schirmherrschaft über eine solche Verlosung zu übernehmen. Das wiederum lag am Sujet seiner Gemälde.
    Er hatte keine mythologischen Helden aufs Papier geworfen, nicht die großen historischen Gestalten Englands und ihre Taten, keine Heiligenlegenden, fleischigen Damen, mittelenglischen Parklandschaften, keine Rennpferde in gestrecktem Galopp, sondern Szenen aus den eben vergangenen Waikato-Kriegen. Daran war vieles idealisiert, vor allem der Heroismus, mit dem die weißen Soldaten die wild tätowierten, augenrollenden Maorikrieger abschlachteten, aber mit derlei »Vereinfachungen« konnte von Tempsky leben. Er wusste, was er seinem Publikum schuldig war.
    Was ihn wirklich belastete, war die Tatsache, dass er in den Gemäldegalerien des alten Europa die Werke der wahren Meister gesehen hatte  – und das zwangsläufig daraus resultierende Wissen, dass er dagegen immer nur ein Pinselquäler sein würde.
Das änderten auch die freundlichen Kritiken nicht, die seine Bilder in der neuseeländischen Presse fanden. Der New Zealand Herald , die Weekly News , der Wellington Independent   – er hatte die Ausschnitte noch bei sich und las sie gelegentlich, aber eher, um sich von ihnen belustigen als überzeugen zu lassen. Sorgfalt im Detail und kraftvolle, kühne Farbgebung wurden ihm attestiert, eine gelungene Anordnung der Figuren, ihr lebendiger Ausdruck, die vielen verschiedenen Haltungen, umrahmt vom wundervoll erfassten Blattwerk der neuseeländischen Fauna, lobend hervorgehoben.
    All das konnte gerade ein intelligenter und darum zynischer Dilettant, der sich seiner technischen Unzulänglichkeiten wohl bewusst war, auch ironisch auffassen. Dazu kam die uneingestandene, aus den finsteren Tiefen eines preußischen Selbstverständnisses aufsteigende Überzeugung, dass Kunst und Literatur  – selbst wenn ein Rembrandt oder Goethe sie betrieben  – wie allen Tätigkeiten, die nicht wenigstens mittelbar der Nahrungsbeschaffung, der Aufzucht der Nachkommenschaft oder dem Dienst am Staatswesen galten, etwas Unseriöses anhaftete.
    An diesem tiefsten Punkt seiner Depression angelangt, pflegte von Tempsky sich zu schütteln. Herrgott, es tat doch gut, wieder Soldat zu sein, Kämpfer, Krieger, und sich damit und dabei über alle bürgerlichen Tugenden zu erheben. Mit unverhohlenem Stolz notierte er in sein Tagebuch: »In neuen Ländern, noch unter dem Joch der Barbarei, gibt es keinen mächtigeren Zivilisator als den Krieg. Alle Hindernisse der Zivilisation verschwinden vor ihm.« Die Doppeldeutigkeit des letzten Satzes entging ihm, denn dass auch alle Errungenschaften der Zivilisation, all das bürgerliche Werkeltagsbemühen um Wirtschaft, Kultur und Religion vor dem Krieg verblassten, dachte er nicht einmal.
    Er freute sich, dass es nun endlich wieder hinausging, und eine lächerliche Flaute, der fehlende Wind in seinen Segeln, würde ihn nicht lange aufhalten können.

29.
    William Blampin hatte sein Glück kaum fassen können, als man ihn aus einer Gemeinschaftszelle des Schuldgefängnisses von Sydney herausholte. Er hatte auch keine Vorstellung davon, wer für ihn die exorbitante Summe von vier Pfund gezahlt hatte, denn er kannte keine einflussreichen Leute, und seine Freunde waren wie er: entlassene Sträflinge, Trinker, Spieler, Tagelöhner und vor allem  – arm. Zwei schwarz gekleidete junge Männer hatten ihn zuallererst in ein Badehaus geführt, ihm dann etwas zu trinken spendiert und ein üppiges Mittagessen bezahlt, das ihm nur deshalb nicht recht schmeckte, weil sie dabei zusahen und die ganze Zeit über kaum ein Wort sprachen. Anschließend hatte man ihn in eine Postkutsche verfrachtet und fünfhundert Meilen weit und eine Woche lang nach Melbourne gefahren, was seine äußere Erscheinung erneut

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