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Fluch des Südens: Ein Fall für John Gowers (German Edition)

Fluch des Südens: Ein Fall für John Gowers (German Edition)

Titel: Fluch des Südens: Ein Fall für John Gowers (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Daniel Twardowski
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aufgelöste zweite Vorsitzende umklammerte noch immer ihre Glocke, an der sie sich in der letzten Stunde fest gehalten hatte, als hinge sie über einem Abgrund. Die Prendergasts kondolierten Mrs. Sheperd zum kulturell so gründlich misslungenen Abend und wandten sich dann dem in Vergessenheit geratenen Magister Chambers zu, der schüchtern im Hintergrund stand und über allerhand Retardierendes nachdachte. Miss Pringle begann mit fahrigen Händen und der freiwilligen Unterstützung einiger ihrer Schülerinnen, die hier und da umgeworfenen Stühle zusammenzutragen.
    Mrs. Sheperd wirkte ein wenig allein gelassen, der Kapitän auf dem geborstenen Schiff, als der bullige kleine Mann, den Hut in der Hand, sich ihr höflich näherte. Es richtete sie ein wenig wieder auf und schmeichelte ihrer Menschenkenntnis, dass er sich als Zeitungsreporter vorstellte, der alles Wissenswerte über die ihr bekannten Zuhörer in Erfahrung zu bringen wünschte.

35.
    Dorothy Simpson versuchte, im Tumult einen Blick von John Gowers zu erhaschen, aber ihre Eltern trieben sie und ihre Schwestern vor sich her zum Ausgang. In der Hoffnung, dass er bald kommen würde, gab sie vor, einen Knoten in ihren Schnürsenkel geschlagen zu haben, und blieb mit der Begründung, diesen jammervollen Zustand zu korrigieren, so weit wie möglich hinter ihrer heimwärts ziehenden Herde zurück. Schließlich sah sie, dass der junge Mann die Bibliothek verließ und sich tatsächlich suchend umblickte.
    Hochbeglückt  – denn wem oder was konnte sein Suchen gelten?  – ging Dorothy ein paar Schritte zurück, obwohl ihre Familie bereits hinter dem nächsten Block verschwunden war. John lächelte, als sie ins Licht trat. Es war das freche Lächeln, das ihr immer so seltsam in alle Glieder fuhr. Ehe sie irgendetwas sagen konnte, hatte er sie in den Schatten der Bäume gezogen, lag sie in seinen Armen, war seine Zunge in ihrem Mund. So schnell er sie gepackt hatte, musste er sie aber auch schon wieder loslassen, denn jemand räusperte sich in ihrer unmittelbaren Nähe.
    Dorothy stieß ihn so heftig von sich, als sei etwas zwischen ihren Körpern explodiert, und konnte nur deshalb nicht weglaufen, weil ihre Knie zitterten und sie nicht lange getragen hätten. Nun war alles aus, der Skandal perfekt, und sie wäre am liebsten in Ohnmacht gefallen. Vor Scham, vor Angst  – und weil sie noch immer seine Lippen auf ihren spürte und sich für den Bruchteil einer Sekunde sogar gewünscht hatte, heute Abend einfach mit ihm zu gehen. Dann sah sie, dass es der alte Mr. Lafflin war, der sie gestört hatte.
    »Guten Abend, Dorothy«, sagte er und nahm seinen Hut ab, als hätte er nichts bemerkt und sie lediglich beim Betrachten des Sternenhimmels ertappt. Sie kam nicht dazu, etwas zu erwidern, denn mit heftigen, raschen Schritten war plötzlich ihr Vater hinter ihr aufgetaucht.
    »Dotty! Wo bleibst du, zum Teufel !«, stieß er wütend hervor und zermalmte damit den letzten Rest ihrer romantischen Courage.
    »Hallo, Clay«, sagte wiederum Mr. Lafflin, und der Anwalt, der bereits den ihm unbekannten jungen Mann mit den vielsagenden Blicken eines Vaters dreier Töchter zu durchbohren begonnen hatte, erwiderte verwirrt: »Oh! Hallo, John. Ich hatte dich gar nicht gesehen!«
    »Entschuldige, dass ich deine Tochter aufgehalten habe«, sagte der alte Mann und lüftete erneut seinen Hut. »Einen guten Abend, Dorothy. Und Grüße an deine Mutter!«
    Die beiden Männer sahen der schwankenden jungen Dame und ihrem verwirrten Erzeuger hinterher, bis sie um die nächste Ecke bogen. Dann sagte John Gowers ruhig: »Vielen Dank, Sir!«
    »Keine Ursache«, entgegnete der alte Mann verschmitzt. »Meine Augen sind leider nicht mehr so gut, wie ich es gern hätte. Deshalb würde ich auch gerne mit Ihnen reden.«
    »Sir?« John runzelte die Stirn.
    »Sie sind John Gowers, der Engländer, nicht wahr? Haben neulich die Eclipse von New Orleans heraufgebracht.«
    »Jawohl, Sir.«
    »Sie haben mich eine Stange Geld gekostet, junger Mann. Ich hatte nämlich auf die Shotwell und den alten Sellers gesetzt.«
    »Tut mir aufrichtig leid, Sir«, sagte John mit seinem unaufrichtigsten Lächeln.
    »Sagen Sie, Mr. Gowers …« Der alte Mann deutete mit einer nachlässigen Handbewegung auf den Eingang der Bibliothek, aus dem gerade die Südstaatler hervorstolzierten, als hätten sie eine Schlacht gewonnen. »Wie stehen Sie zu diesen Dingen?«
    »Einen Moment, Sir«, erwiderte John, setzte seine

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