Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Fluch des Südens: Ein Fall für John Gowers (German Edition)

Fluch des Südens: Ein Fall für John Gowers (German Edition)

Titel: Fluch des Südens: Ein Fall für John Gowers (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Daniel Twardowski
Vom Netzwerk:
denen er sich ohne ihr Zutun irgendwann offenbart hatte, in Visionen, in Träumen, in Trance.
    In seiner Jugend war Te Kooti ein wilder Bursche gewesen, der als Anführer einer kleinen Gruppe junger Männer den Besitz weißer Siedler geplündert hatte, die irgendwelcher Übergriffe auf Maori schuldig waren. Inzwischen war sein Blut kühler geworden. Seine Kämpfe waren jetzt Kämpfe des Geistes, Auseinandersetzungen mit den Propheten Moses, Ezechiel, Zerubbabel und Te Ua Huamene, den Erzengeln Michael und Gabriel, die Krieg und Frieden bedeuteten, dem tiefen Nachdenken über die Kinder Israels in der ägyptischen und babylonischen Gefangenschaft.
    Sein Babylon, sein Ägypten wurde nun die Insel Wharekauri , größte der Chatham-Inseln, sein Pharao der Inselkommandant Captain William Edward Thomas und sein Aufseher der Hauptsergeant Michael Hartnett. Die Whakarau , wie die Gefangenen der verschiedenen Maoristämme sich selbst nannten, um in der Fremde ein Gemeinschaftsgefühl zu entwickeln, standen buchstäblich vor dem Nichts, als die Schiffe sie bei Waitangi an der Petre Bay an Land setzten. Es war eine sehr schlecht vorbereitete Deportation. Selbst die primitiven Hütten, in denen sie leben sollten, mussten die Gefangenen selbst errichten und zunächst einige Nächte am Strand schlafen.
    Dort, unter dem fremden Himmel, hatte Te Kooti seine erste Vision, und sie machte ihn krank. Mehrere Wochen hindurch glaubte man, dass er sterben würde. Als er wider Erwarten gesund wurde, konnte jeder sehen, dass eine große Veränderung mit ihm vorgegangen war. Der zornige junge Mann war endgültig fort. Te Kooti war ein Prophet geworden. Er sah seine Rückkehr
nach Aotearoa voraus, und die Whakarau glaubten ihm, wie Gefangene immer an ihre Befreiung glauben werden.
    Das Gerücht, er sei ein Urenkel Te Toiroas, des Hundertjährigen, machte die Runde, und Te Kooti tat nichts, um diesem Gerücht entgegenzutreten. Te Toiroa, der große Seher, den alle noch kannten, der erst vor wenigen Jahren gestorben war, hatte einst in seiner Kindheit die Ankunft der Pakeha und ihres großen Seefahrerhäuptlings Tu-Te vorausgesagt  – und nur drei Jahre später hatte die Endeavour unter dem Kommando von James Cook tatsächlich in der Poverty Bay Anker geworfen.
    Te Kooti selbst war allerdings klar, dass es diese Verwandtschaft nicht gab, und sosehr er an seine eigenen Prophezeiungen glaubte, wusste er doch, dass das fünfhundert Meilen breite Meer sich nicht teilen würde, um ihn und die Whakarau zurück ins Gelobte Land zu bringen. Er brauchte Schiffe, zumindest Boote; und einen Navigator, der Aotearoa, das neue Kanaan, und den Strand von Whareongaonga in der furchtbaren Weite der See finden würde.

34.
    »Nun, meine sehr verehrten Damen und Herren«, sagte Doktor Willard nach einer Pause von so großer Kunstfertigkeit, dass niemand sie zu unterbrechen wagte. »Ich bemerke, dass die Vorstellung, was aus den Negern werden soll, Sie erschreckt, und das ist auch gut so. Der Gedanke an eine Flutkatastrophe ist gemeinhin das Einzige, was uns daran hindert, Dämme niederzureißen. Und es ist eine Flut, eine Flut von dreieinhalb Millionen Negern, die über dieses Land hereinbrechen wird, und wie bei einer Flut wird das Wasser nicht fragen, wohin es fließen darf. Separation rufen Sie?!«
    Der Redner wirkte plötzlich gelangweilt, fast beleidigt. Das Wasser, das nicht fragt, wohin es fließen darf, wäre bereits ein gutes Schlusswort gewesen und hätte für diese Ansammlung stumpfsinniger
Farmer und Krämer mehr als ausgereicht. Stattdessen musste er ein weiteres rhetorisches Versatzstück aus seinem nicht unbeträchtlichen Fundus anflechten. Er warf wahrhaftig Perlen vor die Säue und wünschte nur, er hätte für diese Dreckarbeit mehr Geld verlangt.
    »Aber wie stellen Sie sich die Separation vor?! Wollen Sie Reservationen für die Neger einrichten und sie sich selbst überlassen? Sich selbst überlassene Neger tun gar nichts. Ich sage das nicht nur aus meiner eigenen Erfahrung. Ich sage es auch, weil in hundert Jahren Afrikaforschung auf diesem gesamten Kontinent, der fünf Mal so groß ist wie die Vereinigten Staaten von Amerika, noch kein einziges von Negern organisiertes Staatswesen gefunden werden konnte. Keine auch nur halbwegs zivilisierte Gesellschaft, sondern immer wieder nur einzelne Stämme, barbarisch, wild und grausam. Sie leben von der Jagd und von dem, was sie im Urwald finden. Höher entwickelte Stämme bauen vielleicht hier und

Weitere Kostenlose Bücher