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Flucht aus Katmandu

Titel: Flucht aus Katmandu Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kim Stanley Robinson
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gesucht«, sagte ich, und es fiel mir nicht schwer, Verwirrung vorzutäuschen. »Wen meinst du mit sie?«
    »Die Yetis, du Narr! Du hast ihn auch gesehen, streite es nicht ab! Und ich bin ihm gefolgt und sah ihn noch mal, da oben am Bach!«
    Ich zuckte die Achseln und musterte ihn zweifelnd. »Ich habe nichts gesehen.«
    »Du warst nicht an der richtigen Stelle. Du hättest mit mir kommen sollen.« Er wandte sich den anderen zu. »Wir verlagern das Camp ganz still für ein paar Tage nach dort oben. Das ist eine noch nie dagewesene Gelegenheit!«
    Valerie nickte, Armaat nickte, selbst Sarah schaute überzeugt drein. Die Botaniker schienen froh zu sein, endlich etwas zu erleben.
    Ich wandte ein, daß es schwierig sei, mit so vielen Leuten talaufwärts zu ziehen, und daß wir das Leben stören würden, was es dort oben auch geben mochte. Und ich deutete an, Phil habe einen Bären gesehen. Aber Phil wollte nichts davon hören. »Was ich gesehen habe, war ein Yeti.«
    Also wurden trotz meiner Proteste Pläne geschmiedet, das Lager ins Hochtal zu verlegen und eine intensive Suche nach dem Yeti durchzuführen. Ich wußte nicht, was ich tun sollte. Weitere Proteste von mir würden nur den Argwohn wecken, ich hätte genau dasselbe wie Phil gesehen. Ich war nie sehr einfallsreich darin, mir Ausflüchte auszudenken, um die Pläne anderer zu durchkreuzen; hauptsächlich deshalb hatte ich die Universität verlassen.
    Ich war am Ende meiner Weisheit angelangt, als mir das Wetter mit einem frühen Monsun-Regensturm zu Hilfe kam. Das brachte mich auf eine Idee. Die Wasserscheide für unser Tal war steil und tief, und ein Tag mit so heftigem Regen, wie wir ihn hatten, würde das Wasser in unserem Bach schnell steigen lassen. Wir mußten die Brücke überqueren, um die drei Hochtäler zu erreichen, und zwei weitere, um zum Landefeld zurückzukehren.
    Da hatte ich meine Chance. Mitten in der Nacht schlich ich mich aus dem Lager und zur Brücke. Sie entsprach der üblichen Bauart der Einheimischen: Haufen großer Steine an beiden Ufern, die drei halbierte Baumstämme stützten. Der Bach umspülte bereits die unteren Steine, und ein kurzes Stochern mit einem langen Ast ließ den Haufen auf unserer Seite zusammenbrechen. Ein seltsames Gefühl, eine Brücke zu zerstören, eins der wertvollsten Menschenwerke im Himalaja, aber ich machte mich trotzdem mit Eifer daran. Die Baumstämme lösten sich schnell voneinander und fielen ins Wasser, und der unterste trieb davon. Es war kein Problem, die beiden anderen ebenfalls auf den Weg zu schicken. Dann schlich ich mich ins Lager und ins Bett zurück.
    Und damit war die Sache gelaufen. Am nächsten Tag schüttelte ich angesichts der Entdeckung bedauernd den Kopf und erwähnte beiläufig, das Hochwasser würde flußabwärts noch schlimmer sein. Ich fragte, ob wir genug Vorräte hatten, um die Monsunzeit zu überstehen, was natürlich nicht der Fall war; und noch eine Stunde Regen reichte aus, um Armaat und Valerie und die Botaniker zu überzeugen, daß die Expedition zu Ende war. Phils schrille Proteste gingen unter, und wir brachen das Lager ab und machten uns am folgenden Morgen auf den Weg, in einem leichten Nebel, der sich am Mittag in strahlenden Sonnenschein aufgelöst hatte. Doch bis dahin waren wir schon ein gutes Stück weit gekommen und gingen weiter.
    Da hast Du es, Freds. Liest Du noch? Ich habe die Expedition der alten Kollegen, die mich angeheuert haben, belogen, ihnen Fakten unterschlagen und sie schließlich sogar verscheucht. Aber Du wirst verstehen, daß ich nicht anders konnte. Dort oben leben intelligente, sehr friedfertige Wesen. Die Zivilisation würde sie vernichten. Und dieser Yeti, der sich mit mir versteckt hat – irgendwie wußte er, daß ich auf ihrer Seite war. Ich würde wirklich mein Leben geben, um diese Wahrheit zu verbergen. Man kann solche Wesen einfach nicht betrügen.
    Auf dem Rückweg bestand Phil beharrlich darauf, einen Yeti gesehen zu haben, und ich fuhr damit fort, die Vorstellung lächerlich zu machen, bis mich Sarah schließlich seltsam musterte. Und ich muß Dir leider berichten, daß sie und Phil wieder zusammenkamen, als wir uns J- und damit dem Ende unserer Reihe näherten. Vielleicht tat er ihr leid, vielleicht wußte sie irgendwie, daß ich unredlich handelte. Es würde mich nicht wundern; sie kennt mich ziemlich gut. Aber aus welchem Grund auch immer, es war deprimierend. Und man kann nichts dagegen tun. Ich mußte für mich behalten, was ich

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