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Flucht aus Katmandu

Titel: Flucht aus Katmandu Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kim Stanley Robinson
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Teton geflogen und hat dabei die ganze Zeit gefilmt. Er ist zäher, als er aussieht. Ich glaube, er täuscht nur vor, so ein schlaffer Hollywood-Produzent zu sein, damit man ihn unterschätzt. Auf jeden Fall hat er ein paar ausgezeichnete Sherpas dabei, und mit ihnen und den Leitseilen kam er problemlos hinauf. Und ich glaube, er akklimatisiert sich gut; er ging rum, als sei er auf einem Strand.«
    Ich seufzte. »Das nenne ich einen entschlossenen Filmemacher.«
    Freds schüttelte den Kopf. »Der Bursche ist ein Parasit. Wenn wir seinen Arsch nicht wieder runterschleppen, wird er die Engländer in den Wahnsinn treiben.«

8

    Also schickten wir vier uns am nächsten Tag an, den Lho La zu besteigen, und hatten es schnell mit einer der gefährlichsten Klettertouren zu tun, die ich je mitgemacht habe. Sie war nicht in technischer Hinsicht so schwierig – die Engländer hatten an den härtesten Stellen Leitseile zurückgelassen, was die Sache beträchtlich vereinfachte. Aber es war trotzdem gefährlich, denn wir stiegen einen Eisfall hinauf, das heißt, einen steil geneigten Gletscher.
    Nun ist ein Gletscher ein Eisbach, wie Sie wissen, und fließt wie seine flüssigen Vettern immer abwärts. Er fließt wesentlich langsamer, aber vernachlässigen darf man diesen Faktor nicht, besonders nicht, wenn man auf einem steht. Dann hört man oft ein Krachen und Stöhnen, einen plötzlichen Knall oder ein Donnern, und man kommt sich vor, als stünde man auf dem Rücken eines Lebewesens.
    Wenn so ein Gletscher einen Hügel hinabrollt, beschleunigt sich das alles noch; aus dem Lebewesen wird ein Drache. Das Eis des Gletschers bricht in gewaltige Blöcke und Scherben auf, die sich gleichmäßig bewegen, dann auf einem Kamm oder einer Klippe zu liegen kommen, hinabstürzen und zerbrechen oder aufreißen und tiefe Spalten enthüllen. Als wir uns den Weg durch das Labyrinth des Lho La-Eisfalls hinaufbahnten, bewegten wir uns ständig unter Eisblöcken, die schon ewig dort zu liegen schienen, in Wirklichkeit aber sehr unstabil waren – sie würden irgendwann im nächsten oder übernächsten Monat hinabstürzen. Ich bin kein Experte, was die Wahrscheinlichkeitstheorie betrifft, aber mir gefiel es trotzdem nicht.
    »Freds«, beklagte ich mich, »du hast gesagt, das sei ein Kinderspiel.«
    »Ist es auch«, sagte er. »Sieh doch, wie schnell wir vorankommen.«
    »Aber nur, weil wir eine Todesangst haben.«
    »Ach ja? He, das sind doch höchstens fünfundvierzig Grad oder so.«
    Steiler kann ein Eisfall nicht werden, denn sonst würde das Eis sofort und geschlossen bergabwärts stürzen. Selbst der berühmte Khumbu-Eisfall, auf den wir nun zu unserer Rechten eine phantastische Aussicht hatten, ist nur etwa dreißig Grad steil. Der Khumbu-Eisfall ist ein unvermeidlicher Teil der Standardroute zum Everest und der bei weitem gefürchtetste Abschnitt; dort sind mehr Menschen gestorben als irgendwo sonst auf dem Berg. Und der Lho La ist schlimmer als der Khumbu!
    Also fand ich ein paar angemessene Worte über unsere Lage, während wir in der Tat sehr schnell weiterkletterten, und mit den meisten davon wußte Laure nichts anzufangen. »Toll, Freds«, rief ich ihm zu. »Wirklich ein echtes Kinderspiel!«
    »Auf jeden Fall jede Menge Zuckerguß«, sagte er und kicherte. Und das unter einer Wand, die ihn plattmachen würde wie Wile E. Coyote aus diesen Zeichentrickfilmen, falls sie fallen sollte. Ich schüttelte den Kopf.
    »Was meinst du?« sagte ich zu Laure.
    »Sehr schlecht«, sagte Laure. »Sehr schlecht, sehr gefährlich.«
    »Und was sollten wir deiner Meinung nach tun?«
    »Was immer du wollen.«
    Wir beeilten uns.
    Nun mag ich das Bergsteigen fast so sehr wie alle anderen hier auch, aber ich will nicht behaupten, daß es eine besonders vernünftige Tätigkeit ist. Besonders an jenem Tage hätte ich diese Behauptung nicht erhoben. Nun ja, es gibt solche und solche Gefahren. In der Tat treffen Bergsteiger eine Unterscheidung zwischen objektiven und subjektiven Gefahren. Objektive Gefahren sind zum Beispiel Lawinen, Steinschlag und Stürme, Ereignisse, an denen man nichts ändern kann. Subjektive Gefahren sind jene, denen man sich durch menschliche Fehler aussetzt – man schlägt ein schlechtes Loch, vergißt, ein Seil zu sichern, und so weiter. Sie verstehen – wenn man absolut vorsichtig vorgeht, kann man alle subjektiven Gefahren vermeiden. Und wenn man die subjektiven Gefahren eliminiert hat, hat man es nur noch mit den objektiven

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