Flucht aus Oxford
bei mir zu Hause gewesen, könnte er heute noch leben. Irgendwie habe ich das Gefühl, dass es mein Fehler war. Ich fühle mich schuldig an seinem Tod. Begreifst du jetzt, warum ich weggelaufen bin und mich hier am Ende der Welt vergrabe?«
»Wirklich begreifen kann das wohl niemand, nehme ich an. Aber ich habe Verständnis.«
»Ich will vor allen Dingen keine Leute treffen. Oder ausgehen und so tun, als würde ich mich köstlich amüsieren.«
»Was für eine Art Freund war er?«, fragte Roz in die Stille. »Wie eng wart ihr befreundet?«
»Willst du wissen, ob wir eine Beziehung hatten? Nein, hatten wir nicht. Aber er war ein Teil meines Lebens. Er gehörte einfach dazu. Er hat mir Arbeit besorgt, wenn ich Geld brauchte. Er stellte mir seine meist höchst unpassenden Freundinnen vor, und ich hörte ihm voller Mitleid zu, wenn sie ihn sitzen ließen. Er ging mit mir ins Konzert. Er hat mich bemuttert und für mich gekocht.«
»Hier, nimm dir ein paar Taschentücher.«
»Danke«, schluchzte Kate. »Und ich bin schuld, dass er tot ist!«
»Ich nehme eher an, dass die Bösartigkeit irgendeines anderen Menschen schuld ist.«
»Mag sein, aber damit fühle ich mich nicht weniger schuldig.«
»Hat man den Mörder schon gefasst?«
»Ja. Er sitzt in Untersuchungshaft, aber bis zum Verfahren dauert es sicher noch ein paar Monate. Die Beweisaufnahme scheint kein Ende zu finden.«
»Und du vergräbst dich in der Zwischenzeit hier und brütest vor dich hin. Meiner Ansicht, nach sind Schuldgefühle eine ziemlich überflüssige Belastung. Genau wie Depressionen, die einem jegliche Energie rauben und unbeweglich machen.«
»Aus deinem Mund klingt es, als wäre ich nur faul.«
»Nein, ich halte dich durchaus nicht für faul. Mit Faulheit wäre erheblich leichter umzugehen.«
»Und was schlägst du vor, wie ich mit meinen Schuldgefühlen umgehen soll?«
»Wann ist Andrew gestorben?«
»Wie bitte? Ach so – vor drei oder vier Monaten.«
»Also, ich sage es ja nicht gern, aber du solltest dich allmählich wieder berappeln. Irgendwann musst du schließlich damit anfangen. Sieh dich doch nur an, Kate!«
»Was hast du an mir auszusetzen?«
»Wann warst du zuletzt beim Friseur?«
»Ich glaube nicht, dass es hier im Dorf einen gibt.«
»Das hoffe ich auch nicht! Allein bei der Vorstellung, in welchem Zeitalter die hier leben, bekomme ich eine Gänsehaut! Aber in Oxford gibt es bestimmt ein paar vertrauenswürdige Adressen.«
»Anzunehmen. Sieht mein Haar wirklich so schlimm aus?« Kate fuhr sich mit den Fingern über den Kopf. Es fühlte sich tatsächlich ein wenig pappig an.
»Wann hast du dir zuletzt die Haare gewaschen? Sie sind fettig und strähnig.«
»Vielen Dank. Ist es okay, wenn ich sie morgen wasche?«
Sie schwiegen eine Weile.
»Schmollen hat dir noch nie gestanden«, wagte sich Roz nach einer Weile vor.
»Ich schmolle nicht. Ich bin verletzt.«
»Dann ruf deinen Friseur an, am besten jetzt gleich, und mach einen Termin für morgen früh.«
Und wie eine Zwölfjährige trollte sich Kate und tat, wie ihre Mutter sie geheißen hatte. Ja, man konnte sie um zehn Uhr fünfzehn einschieben, allerdings nicht bei ihrer Stammfriseurin. Kate musste zugeben, dass sie sich nach dem Telefonat besser fühlte, was aber durchaus daran liegen mochte, dass sie den Reiz der Auseinandersetzung mit ihrer Mutter genoss.
»Vielleicht sollten wir eine Liste der Dinge machen, die wir morgen unternehmen könnten«, schlug Roz vor, als Kate zum Sofa zurückkehrte.
»Wie früher in den Sommerferien«, bemerkte Kate.
»Oder an langen Wochenenden«, erwiderte Roz. »Jedenfalls machen wir morgen einen Ausflug nach Oxford.« Sie hielt inne, als sie das Gesicht ihrer Tochter sah. »Irgendwann musst du wieder anfangen. Ich fahre dich zum Friseur, und anschließend kaufen wir dir ein paar neue Kleider.«
»Gefallen dir meine etwa nicht?«
»Erstens sind sie alle schwarz, zweitens passen sie nicht besonders, und drittens stehen sie dir nicht. Wir gönnen uns einen richtig schönen Einkaufsbummel, ganz wie früher. Es wird bestimmt toll. Und wir kommen nicht einmal in die Nähe der Agatha Street.«
»Zum Mittagessen könnten wir vielleicht schon zurück sein«, sagte Kate.
»Spätestens zum Tee.«
»Mittagessen!«, drängte Kate.
»Einverstanden. Zumindest ist es ein Anfang. Du musst unbedingt mal raus. Du siehst aus, als würdest du seit deiner Ankunft hier ständig auf dem Sofa liegen und fernsehen.«
»Manchmal lese ich auch
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