Flucht aus Oxford
ein Buch.«
»Siehst du, genau das meine ich. Aber ab morgen wird alles anders.«
»Inwiefern? Okay, ich gehe morgen in Oxford zum Friseur. Aber das war’s dann auch schon. Anschließend kehre ich in dieses nette, sichere, etwas langweilige Cottage zurück.«
»Ich bin zwar erst seit ein paar Stunden hier, aber ich habe jetzt schon Fluchttendenzen. Natürlich ist die Aussicht hier ganz schnuckelig, aber wirst du es nicht allmählich leid, dir ständig Felder, Bäume und viele Quadratkilometer matschige Wiesen anzusehen?«
»Nein«, behauptete Kate fest.
»Na ja, ich schon, und ich glaube, du solltest dir ein Beispiel daran nehmen. Ich finde, wir sollten Tagesausflüge nach London, Birmingham und vielleicht sogar nach Edinburgh planen.«
» Birmingham? «
»Oder wir probieren diesen neuen Zug aus, der nonstop nach Paris fährt.«
»Nein, danke.«
»Wie weit würdest du dich denn vom Gartentor entfernen?«
»Sagen wir mal: bis zum Ende der Dorfstraße«, antwortete Kate.
»Hast du gesehen, dass in der Küche eine Ausgabe des Dorfblättchens an der Pinnwand hängt?«
»Ich kann mich entsinnen, es wahrgenommen zu haben. Und?«
»Da stehen jede Menge Dinge drin, die wir unternehmen können, und zwar unmittelbar vor der Haustür. Wenn du wirklich das Dorf nicht verlassen willst, könnten wir den Club der Dorffrauen auskundschaften. Wir könnten aber auch am Treffen des Gemeinderats teilnehmen oder gemeinsam mit den Dorfbewohnern Müll einsammeln und aus Gatt’s Hill ein Dorf machen, auf das man stolz sein kann.«
»Sehen wir etwa wie Dorffrauen aus? Braucht man da kein Passwort? Ehrlich gesagt glaube ich nicht, dass wir bei einem solchen Treffen zugelassen werden.«
»Ich persönlich würde lieber das Nachtleben von Paris erkunden, und wenn das schon nicht geht, dann wenigstens das von Oxford. Aber ich merke schon, dass ich dich kaum hundert Meter von diesem Wohnzimmer fortlocken kann. Trotzdem halte ich jede Art von Aktivität in deinem derzeitigen Zustand für eine deutliche Verbesserung.«
Kate runzelte die Stirn. »Ich stelle gerade fest, dass ich dir zwar viel aus meinem Leben erzählt habe, von dir eigentlich aber noch gar nichts weiß.«
»Mein Leben ist nicht besonders abwechslungsreich verlaufen«, erklärte Roz.
»Mit anderen Worten, es hat sich in Wolken von Cannabisrauch und Absinthdünsten verflüchtigt.«
»Manchmal frage ich mich, woher du diese merkwürdigen altmodischen Ansichten hast.«
Doch ehe sie sich noch in einen Streit hineinsteigern konnten, klopfte es an der Haustür. Roz ging, um zu öffnen. Kate hörte Stimmengemurmel, dann kehrte Roz zurück und fragte: »Weißt du irgendetwas über einen Gärtner?«
»Keine Ahnung.«
»Bestimmt nicht? Draußen ist jedenfalls jemand, der behauptet, sich immer um den Garten von Crossways Cottage zu kümmern.«
»Warte, ich glaube, Callie hat tatsächlich so etwas erwähnt.«
»Du solltest deinen Weinkonsum einschränken. Er schadet dem Gedächtnis«, versetzte Roz spöttisch und ging wieder zur Haustür, um sich dem Gärtner zu widmen. Kate hörte Bruchstücke einer Unterhaltung, dann sagte ihre Mutter: »Gut, dann kommen Sie mal rein.«
3
Überrascht stellte Kate fest, wie tief ihre Vorurteile gegenüber dem Landleben verwurzelt waren, als ihre Mutter mit der Person eintrat, die sich um Callies Garten kümmerte. Intuitiv hatte sie den üblichen, grauhaarigen Mann mit rosiger Gesichtsfarbe erwartet, dessen Hose von einer Kordel gehalten wurde, der sich am Stirnhaar zupfte, mit viel Sachverstand von Mulch und Baumstützen sprach und den richtigen Dünger für Heidekraut auf den ersten Blick erkannte.
»Das ist Donna«, sagte Roz.
Donna trug ein enges schwarzes Top und schwarze Jeans, die wie eine zweite Haut an ihren dünnen Beinen klebten. Ob ihr Gesicht eine gesunde, bäuerliche Hautfarbe zeigte, war unter einem dicken, weißen Make-up und schwarzem Lidstrich kaum festzustellen.
»Ich bin Ihre Gärtnerin«, erklärte Donna, als hätte sie das ungläubige Staunen in Kates Gesicht gelesen. »Hat Miss Callan Ihnen nichts von mir gesagt?«
»Möglicherweise hat sie es getan, aber offenbar habe ich es vergessen«, erwiderte Kate matt.
Donna war zierlich gebaut, hatte hohe Wangenknochen und dunkle Locken, die sie mit einem Gummiband nach hinten gebunden trug. Ihr Hals und die Hände wiesen eine gesunde Sonnenbräune auf, ihre Fingernägel schimmerten violett. In einem Nasenflügel steckte ein Glitzersteinchen, und jedes Ohr war mit
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