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Flucht - Ein Kay-Scarpetta-Roman

Titel: Flucht - Ein Kay-Scarpetta-Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Patricia Cornwell
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hatte, war sie nicht auf die Idee gekommen, den Schürhaken oder die Schaufel als Waffe zu benutzen. Sie hatte keinen Verteidigungsreflex. Ihr Reflex war die Flucht, ob sie nun die Treppe hinauflief oder nach Key West flog.
    »Vielleicht war ihr die Pistole fremd, Marino«, erklärte ich. »Es klingelt an der Tür. Sie ist nervös und verwirrt. Sie geht ins Wohnzimmer und schaut durch den Spion. Wer immer davor steht, sie vertraut ihm genug, um die Tür zu öffnen. Und die Pistole zu vergessen.«
    »Oder aber sie hat ihren Besucher erwartet.«
    »Das wäre auch gut möglich. Vorausgesetzt, jemand wusste, dass sie zurück war.«
    »Vermutlich wusste er es«, meinte er.
    »Und vielleicht ist er ›M‹«. Ich sprach aus, was Marino hören wollte, und stellte die Flasche Rum zurück ins Regal.
    »Bingo! Jetzt ergibt das Ganze schon mehr Sinn, oder?«
    Ich schloss die Tür des Hängeschranks. »Sie wurde monatelang bedroht und war außer sich vor Angst, Marino. Es fällt mir schwer zu glauben, dass ihr Mörder ein enger Freund von ihr gewesen ist und Beryl nicht den geringsten Verdacht gehabt haben sollte.«
    Er sah verärgert aus, als er auf die Uhr blickte und einen weiteren Schlüssel aus seiner Tasche kramte. Es war vollkommen unlogisch, dass Beryl einem Fremden die Tür aufgemacht hatte. Aber es war noch unlogischer, dass jemand, dem sie vertraute, ihr all das angetan haben könnte. Warum hat sie ihn hereingelassen? Diese Frage ließ mich nicht mehr los. Ein auf einer Seite geschlossener, überdachter Durchgang verband das Haus mit der Garage. Die Sonne war eben hinter den Bäumen versunken.
    »Am besten sage ich es Ihnen gleich«, gestand Marino, als das Schloss aufsprang. »Ich war erst kurz bevor ich Sie anrief zum ersten Mal hier. Ich hätte natürlich in der Mordnacht das Tor aufbrechen können, sah aber keinen Grund dafür.« Er zuckte mitden Achseln und zog seine massiven Schultern hoch, als ob er mir beweisen wollte, dass er damit wirklich ein Tor, einen Baum oder einen Müllcontainer umrennen konnte. »Sie war nicht mehr hier drinnen, seit ihrer Abreise nach Florida. Wir brauchten eine ganze Weile, bis wir den verflixten Schlüssel gefunden hatten.«
    Ich hatte noch nie eine getäfelte Garage gesehen. Der Boden war mit teuren roten Fliesen aus Italien gekachelt.
    »War das hier wirklich als Garage gedacht?«, fragte ich.
    »Da ist ein Garagentor, oder?« Er holte noch weitere Schlüssel aus seinen Taschen. »Ist schon ein beeindruckendes Plätzchen, um die Karre nicht nass werden zu lassen, was?«
    Die stickige Luft roch staubig, aber die Garage war tipptopp sauber. Außer einem Rechen und einem Besen, die in einer Ecke lehnten, war nichts von den üblichen Werkzeugen, Rasenmähern und anderem Gerümpel zu sehen, das man hier erwartete. Die Garage sah eher wie der Ausstellungsraum eines Autohändlers aus. Der schwarze Honda stand auf den Fliesen in der Mitte des Raums. Er war so sauber und glänzend, dass er nagelneu und unbenützt aussah.
    Marino schloss die Fahrertür auf und öffnete sie. »Bitte, nehmen Sie Platz«, sagte er.
    Ich setzte mich in den Sitz aus elfenbeinfarbenem Leder und starrte durch die Windschutzscheibe auf die getäfelte Wand. Marino trat zurück und bat: »Bleiben Sie einfach sitzen, okay? Schauen Sie sich in Ruhe um, und sagen Sie mir dann, was Ihnen so alles auffällt.«
    »Wollen Sie, dass ich ihn anlasse?«
    Er gab mir den Schlüssel.
    »Dann öffnen Sie bitte das Garagentor, damit ich uns nicht mit den Abgasen vergifte«, fügte ich hinzu.
    Mit zerfurchtem Gesicht suchte er herum, bis er den richtigen Knopf fand, der das Tor öffnete.
    Das Auto sprang gleich beim ersten Mal an, der Motor schnurrte leise und kraftvoll vor sich hin. Radio und Klimaanlage waren eingeschaltet. Der Benzintank war viertelvoll, der Kilometerstandzeigte weniger als zwölftausend Kilometer. Das Schiebedach stand ein Stück weit auf. Auf der Ablage des Armaturenbretts lag der Abholschein einer Reinigung, datiert vom 11. Juli, einem Donnerstag. Beryl hatte einen Rock und eine Kostümjacke abgegeben und diese Kleidungsstücke vermutlich nie abgeholt. Auf dem Beifahrersitz fand ich den Kassenzettel eines Lebensmittelgeschäfts, auf dem das Datum vom 12. Juli stand. Um zehn Uhr vierzig am Vormittag hatte sie einen Kopfsalat, Tomaten, Gurken, Rinderhackfleisch, Käse, Orangensaft und eine Rolle Pfefferminzbonbons gekauft. Das Ganze kostete neun Dollar und dreizehn Cent, und sie hatte bei der Kassiererin mit

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