Flucht - Ein Kay-Scarpetta-Roman
habe, kann ich mir das auch nicht vorstellen. P. J. ist nicht gerade das, was man einen vertrauenswürdigen Treuhänder nennt.«
»Aber eigentlich ist er genau das, Mark. Er war heute Abend nur ein wenig betrunken.«
»Hackedicht wäre ein besseres Wort dafür.«
»Vielleicht ist daran mein Auftauchen schuld.«
»Wenn Beryl ihr Manuskript kopiert und mit zurück nach Richmond genommen hat«, fuhr Mark fort, »dann muss ihr Mörder es gestohlen haben.«
»Frankie«, sagte ich.
»Das würde auch erklären, warum er sich Cary Harper als nächstes Opfer ausgesucht hat. Unser Freund Frankie wurde eifersüchtig, und der Gedanke, dass Harper mit Beryl geschlafen hatte, muss ihn verrückt gemacht haben, oder sagen wir besser, noch verrückter. Harpers Angewohnheit, jeden Nachmittag zu Culpeper’s zu gehen, steht auch in Beryls Buch.«
»Ich weiß.«
»Möglicherweise wusste Frankie deshalb, wie er ihn finden konnte und wann die beste Zeit war, um ihm aufzulauern.« »Nichts leichter als das, wenn einer halb besoffen ist und in einer dunklen Auffahrt in der Mitte von Nirgendwo aus seinem Auto steigt«, erwiderte ich.
»Mich wundert nur, dass er Sterling Harper nicht auch getötet hat.«
»Vielleicht hätte er das noch getan.«
»Du hast recht. Er hatte keine Gelegenheit mehr dazu«, stimmte Mark mir zu. »Sie hat ihm die Arbeit abgenommen.«
Wir hielten uns bei den Händen und schwiegen. Unsere Schritte schlurften leise über das Pflaster, und eine leichte Brise bewegte sanft die Bäume. Ich wünschte, dass dieser Moment nie verginge. Ich hatte Angst vor der Wahrheit, der wir ins Gesicht sehen mussten. Erst als Mark und ich wieder in unserem Zimmer waren und Wein tranken, fragte ich ihn. »Wie geht es weiter, Mark?«
»Ich muss nach Washington«, sagte er, drehte sich weg und sah aus dem Fenster. »Morgen schon. Ich werde diesen Fall abschließen und einen neuen bekommen.« Er atmete tief durch. »Zum Teufel, ich weiß nicht, was ich als Nächstes machen werde.«
»Was wäre dir denn am liebsten?«
»Das kann ich nicht sagen, Kay. Wer weiß, wo sie mich hinschicken werden.« Er blickte immer noch hinaus in die Nacht. »Und mir ist klar, dass du nicht aus Richmond weggehen wirst.«
»Nein. Das kann ich gar nicht. Nicht jetzt. Meine Arbeit ist mein leben, Mark.«
»Das war sie immer schon«, erwiderte er. »Und bei mir ist es genau dasselbe. Da bleibt nicht viel Raum für Diplomatie.«
Seine Worte, sein Gesichtsausdruck brachen mir das Herz. Ich wusste, dass er recht hatte. Als ich versuchte, etwas zu sagen, kamen mir die Tränen.
Wir hielten einander eng umschlungen, bis er in meinen Armen einschlief. Sanft befreite ich mich von ihm, stand auf und ging wieder ans Fenster, wo ich mich setzte, rauchte und wie besessenüber viele Dinge nachdachte, bis die Morgendämmerung den Himmel rosa färbte.
Ich duschte mich lange und ausgiebig. Das heiße Wasser wirkte beruhigend und bestärkte mich in meinem Entschluss. Erfrischt zog ich einen Bademantel an und verließ das dampfige Bad. Mark war aufgestanden und bestellte gerade das Frühstück.
»Ich gehe zurück nach Richmond«, erklärte ich bestimmt und setzte mich neben ihn auf das Bett.
Er runzelte die Stirn. »Das ist keine gute Idee, Kay.«
»Ich habe das Manuskript gefunden, du fährst auch, und ich will hier nicht allein darauf warten, dass Frankie oder Scott Partin oder vielleicht sogar Sparacino hier auftaucht«, sagte ich.
»Sie haben Frankie noch nicht gefunden. Es ist zu riskant«, protestierte er. »Ich werde dich hier beschützen lassen. Oder in Miami. Das ist vielleicht noch besser. Du könntest eine Zeitlang bei deiner Familie bleiben.«
»Nein.«
»Kay ...«
»Mark, vielleicht ist Frankie gar nicht mehr in Richmond. Es können Wochen vergehen, bis sie ihn finden. Vielleicht finden sie ihn auch niemals. Was soll ich also tun? Soll ich mich für immer und ewig in Florida verstecken?«
Er lehnte sich zurück in die Kissen und sagte nichts. Ich nahm seine Hand. »Ich lasse es nicht zu, dass mein leben und meine Karriere dadurch unterbrochen werden, und ich lasse mir auch keine Angst mehr einjagen. Ich werde Marino anrufen, damit er mich vom Flughafen abholt.«
Er legte seine Hände fest um meine. Er sah mir in die Augen und sagte: »Komm mit mir nach Washington. Du könntest auch eine Weile in Quantico bleiben.«
Ich wehrte ab. »Mir wird nichts passieren, Mark.«
Er zog mich nahe an sich heran. »Ich muss immer daran denken, was mit Beryl
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