Flucht - Ein Kay-Scarpetta-Roman
Augen kaum von den Seiten losreißen.
»Kay, schau dir das einmal an«, sagte er und legte eine andere Seite auf die, die ich gerade las.
Es war die erste Seite von Kapitel fünfundzwanzig, eine Seite, die ich schon gelesen hatte. Ich brauchte einen Moment, bis ich erkannte, was ich vorher übersehen hatte. Es handelte sich um eine sehr saubere Fotokopie und nicht um eine Originalseite wie bei allen anderen.
»Ich dachte, du hättest gesagt, dass das hier das einzige Exemplar sei«, fragte Mark zögernd.
»Ich war der Meinung, dass es das wäre«, antwortete ich verblüfft.
»Vielleicht hat sie eine Kopie gemacht und diese Seite aus Versehen vertauscht.«
»So sieht es aus«, bestätigte ich und dachte nach. »Aber wo ist dann das kopierte Exemplar? Bis jetzt ist es noch nicht aufgetaucht.«
»Ich habe keine Ahnung.«
»Bist du sicher, dass es nicht bei Sparacino ist?«
»Ich bin mir ziemlich sicher, dass ich es wüsste, wenn er eine Kopie von dem Buch hätte. Ich habe, als er weg war, sein Büro auf den Kopf gestellt, und dasselbe habe ich in seinem Haus gemacht. Davon abgesehen, glaube ich, dass er es mir gesagt hätte; zumindest damals, als er noch glaubte, dass wir Komplizen seien.«
»Ich denke, wir sollten uns noch einmal mit P. J. Unterhalten.«
Heute war, wie wir schnell herausfanden, P. J.s freier Tag. Wir fanden ihn weder bei Louie noch zu Hause. Die Abenddämmerung brach über die Insel herein, als wir ihn schließlich bei Sloppy Joe entdeckten. Er hatte schon eine ganze Menge intus. Ich nahm ihn vor der Bar bei der Hand und führte ihn zu einem Tisch. Hastig stellte ich vor: »Das ist Mark James, ein Freund von mir.«
P. J. nickte und prostete Mark mit seiner langhalsigen Bierflaschebetrunken zu. Er zwinkerte ein paarmal mit den Augen, so als wolle er sich damit einen klareren Blick verschaffen, wobei er meinen attraktiven männlichen Begleiter bewundernd anstarrte. Mark schien das nicht zu bemerken.
Ich musste mit meiner Stimme den Lärm der Leute und der Band übertönen, als ich zu P. J. sagte: »Es geht um Beryls Manuskript. Hat sie, während sie hier war, eine Kopie davon gemacht?«
Er trank einen Schluck Bier und bewegte sich im Takt der Musik, während er antwortete: »Weiß ich nicht. Wenn sie eine gemacht hat, dann hat sie mir nichts davon gesagt.«
»Aber wäre es möglich?«, fragte ich nach. »Hätte sie es zusammen mit den Briefen, die sie euch gegeben hat, kopieren können?«
Er zuckte die Achseln, sein Gesicht war gerötet, und Schweißperlen liefen an seinen Schläfen herab. P. J. war mehr als betrunken. Er war stoned.
Mark schaute ungerührt zu, als ich noch einen Versuch startete: »Hat sie denn das Manuskript dabeigehabt, als sie losging, um die Briefe zu fotokopieren?«
»... Just like Bogie and Bacall ...«, sang P. J. in einem heiseren Bariton zur Musik und schlug wie alle anderen auf dem Tisch den Takt dazu.
»P. J.!«, rief ich laut.
»Mann«, protestierte er, und seine Augen klebten an der Bühne.
»Das ist mein Lieblingslied.«
Ich lehnte mich auf meinem Stuhl zurück und wartete, bis P. J. sein Lieblingslied gesungen hatte. Als die Band eine kurze Pause einlegte, wiederholte ich meine Frage. P. J. trank seine Flasche aus und sagte dann mit erstaunlich klarer Stimme: »Alles, was ich noch weiß, ist, dass Beryl an diesem Tag ihren Rucksack mitgenommen hat, okay? Den habe nämlich ich ihr gegeben. Damit sie ihr Zeug mit sich herumtragen konnte hier unten. Sie ging zum Copy-Cat oder sonst wohin, und sie hatte hundertprozentigihren Rucksack dabei. Also.« Er holte seine Zigaretten heraus. »Vielleicht steckte das Buch in ihrem Rucksack. Und vielleicht hat sie es kopiert, als sie die Briefe kopierte. Ich weiß nur, dass sie mir das Manuskript hierließ, das ich Ihnen gegeben habe, wann immer das auch war.«
»Gestern«, bemerkte ich.
»Yeah, Mann. Gestern.« Er schloss seine Augen und begann wieder auf den Tisch zu klopfen.
»Danke, P. J.«, sagte ich.
Er kümmerte sich nicht um uns, als wir uns unseren Weg durch die Bar bahnten und schließlich an die frische Nachtluft flüchteten.
»Das war wohl ein Schuss in den Ofen«, sagte Mark, als wir zum Hotel zurückgingen.
»Ich weiß nicht«, antwortete ich. »Aber es erscheint mir logisch, dass Beryl das Manuskript zusammen mit den Briefen kopiert hat. Ich kann mir nicht vorstellen, dass sie ihr Buch bei P. J. zurückgelassen hätte, ohne sich eine Kopie davon gemacht zu haben.«
»Nachdem ich ihn gesehen
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