Flucht in die Hoffnung
eines Tages alle zusammen eine große Familie bilden würden,
Farid, meine drei Kinder und ich.
Ich versprach diesem kleinen Wesen in meinem Bauch, dass ich es nie,
nie, nie, niemals alleine lassen würde. Nichts und niemand würde
uns trennen. Ich legte die Hände auf meinen Bauch und schwor dem winzigen Wesen
da drinnen, dass ich es diesmal besser machen würde. Ich versprach ihm ein
glückliches Leben und Geborgenheit und eine Mama, die »immer für dich da ist«.
Mit zunehmendem Bauchumfang wuchsen meine Freude und Zuversicht. Ich
konnte es kaum erwarten, bis ich das Baby endlich in den Armen halten würde,
denn ein Leben ohne Kinder ist kein Leben.
DIE HOCHZEIT
Wir hatten uns den 2.2.2002 als Hochzeitsdatum ausgesucht.
Was ich für ein Glücksdatum hielt, sollte sich schon bald als der schlimmste
Tag meines Lebens herausstellen, an dem ich durch die Pforte der Hölle trat.
Kürzlich erzählte mir ein Standesbeamter, dass Ehen, die an solch einem besonderen
Datum geschlossen werden, häufiger geschieden werden als andere.
Farid und ich heirateten in Belgien. Von meiner Familie kamen mein
Vater und meine Schwester mit ihrem Freund sowie meine beiden Omas. Von Farids
Familie war nur jener Bruchteil anwesend, der in Paris lebte – und ein
Studienkollege. Farid litt darunter, dass es keine traditionelle tunesische
Hochzeit gab. Das tat mir auch sehr leid, denn ein solches Fest stellte ich mir
unvergleichlich vor. Da hätte ich auch Hilfe gehabt aus dem Kreis der Frauen.
So blieb die ganze Arbeit an mir hängen, und sie fiel mir schwer, da
ich in dieser Schwangerschaft häufig unter Übelkeit litt. Farid krümmte keinen
Finger. Ich kaufte ein, bereitete unsere kleine Wohnung vor, dekorierte und
kochte, richtete an, schleppte die Getränke und kümmerte mich um die gesamte
Organisation. Nach der standesamtlichen Trauung bei der kleinen Feier in
unserer Wohnung betrachtete er es ebenfalls als unter seiner Würde, sich um die
Gäste zu kümmern. Das war mein Job. Ich servierte Häppchen und brachte
Getränke. Farid hatte sich blitzartig in einen Göttergatten verwandelt, der
sich bedienen ließ.
Meine Hochzeit hatte ich mir ehrlich gesagt anders vorgestellt, ganz
anders. Hin und wieder warf mir meine Schwester einen sorgenvollen Blick zu.
Wenigstens sie und ihr Freund unterstützten mich, trugen benutztes Geschirr in
die Küche, spülten zwischendurch ein paar Gläser. Nein, das war alles andere
als der schönste Tag meines Lebens. Es hatte auch keinen romantischen
Heiratsantrag gegeben. Der Beschluss zur Heirat war en passant gefallen. Weil
es besser war. Weil ich schwanger war. Weil wir nach Deutschland wollten. Wir?
Farid bestand darauf, dass ein uneheliches Kind für ihn nicht
infrage käme. Es war schon schwierig genug für ihn, dass ich vor der Hochzeit
schwanger geworden war. Wenn unser Kind geboren wurde, mussten wir verheiratet
sein. Das fand ich irgendwie süß. Denn zeigte er damit nicht seinen aufrechten
Charakter? Bewies er mir damit nicht, dass er zu mir stehen, mir Halt geben
würde?
Wie naiv ich doch war, wie vertrauensselig.
In Tunesien bereitet sich eine Frau ihr Leben lang auf ihre
Hochzeit vor. Sie ist der Höhepunkt ihres Lebens, das sich davor ständig um die
Frage dreht, wen sie wohl heiraten wird. Manchmal ist das schon lange
abgesprochen. Ein Mädchen sammelt seine Aussteuer. Ein gutes, sparsames Mädchen
hat eine komplette Aussteuer beisammen, wenn es heiratet. Bettwäsche und
Handtücher, Geschirr und allerlei Gebrauchsgegenstände. Die Frau ist die Herrin
des Hauses. Und in diesem Haus sollte sie nach Möglichkeit auch bleiben. Um
ihre Wohnung zu verlassen, benötigt die verheiratete Frau die Einwilligung
ihres Gatten, denn mit der Hochzeit geht sie in den Besitz des Mannes über. Sie
ist praktisch ihre eigene Aussteuer.
Meine Aussteuer sah mager aus. Ein bisschen Ikea, das Auto, und ich bezahlte die Miete und unseren Lebensunterhalt. Ich war kein
gutes Mädchen, da konnte ich ruhig bedienen bei meiner Hochzeit, so lautete die
Botschaft in Farids Augen. Nein, ich war keine gute Frau. Und er hatte mich
trotzdem genommen. Glücklich sollte ich mich preisen und ihm das Leben
versüßen, wo immer ich konnte. Eine Freude sollte mir das sein – und das war es
mir ja auch, denn ich liebte ihn abgöttisch und war bereit, alles zu tun, um
unser Leben harmonisch zu gestalten. Und doch machte ich ständig alles falsch.
Seine Hochzeit hatte sich auch Farid anders vorgestellt, und für ihn war
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