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Flucht in die Hoffnung

Flucht in die Hoffnung

Titel: Flucht in die Hoffnung Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tina Rothkamm
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wohl, wenn man von fremden Lauten umgeben ist, deren Sinn sich einem
nicht erschließt; ich hatte das selbst erlebt. Deswegen war Farid auch oft so
schlecht gelaunt. Und er sah nicht gut aus. Bestimmt fehlte ihm die Sonne.
    Südliches Klima konnte ich ihm nicht bieten an der
deutsch-niederländischen Grenze. Doch ich bemühte mich, alles zu tun, um ihm
eine Freude zu machen. Wo er doch so weit weg war von zu Hause. Er sah wirklich
schlecht aus. Seine Haut schimmerte gelblich wie seine trüben Augen, als wäre
er leberkrank. So sah man doch nicht aus, wenn man glücklich war? Ich machte
mir Sorgen um ihn, und eines Tages rückte er mit der Wahrheit heraus. Der
Verdacht, den er seit Längerem hegte, hatte sich bestätigt: Er litt an
Hepatitis C. Wahrscheinlich hatte er sich während des Studiums in Tunesien
angesteckt, so lautete seine Erklärung.
    Gegen Hepatitis C kann man nicht geimpft werden. Übertragen wird
diese Krankheit über Blut. Menschen, die im medizinischen Bereich arbeiten,
stecken sich häufiger an, auch Drogenabhängige, die dieselbe Nadel benutzen.
Zudem wird die Krankheit über Blutkonserven übertragen. Ein garantiertes
Heilmittel dagegen gibt es nicht, allerdings können mit einer langwierigen
medikamentösen Therapie die Viren, die die Leber befallen haben, eliminiert
werden.
    Das weiß ich heute. Damals wusste ich gar nichts, auch nicht, dass
die teure Therapie mit starken Nebenwirkungen wie Depressionen einhergeht, doch
ich bekam es zu spüren. Farid bei Laune zu halten glich mehr und mehr einer Gratwanderung.
Ein falsches Wort, und schon fühlte er sich angegriffen. Ich litt unter seiner
aggressiven Stimmung, Disharmonie und Streit vertrug ich so schlecht. Sie
schürten in mir die Angst, dass unsere Beziehung zerbrechen könnte. Gedanken
dieser Art blendete ich aus, sie lagen zu dicht an dieser tiefen Verlustangst,
die mich seit dem plötzlichen Tod meiner Mutter wie ein Schatten begleitete.
Und wir hatten doch auch schöne, innige Momente. Vielleicht war ich ja einfach
zu dünnhäutig, hochschwanger wie ich war.
    Mein Kind sollte nicht im Krankenhaus, sondern in einem
Geburtshaus zur Welt kommen, weil ich eine selbst bestimmte Geburt erleben
wollte. Nachdem ich einige Vorgespräche mit den warmherzigen und kompetenten
Hebammen in der alten Villa geführt hatte, die zu einem Geburtshaus umgebaut
worden war, fühlte ich mich in den allerbesten Händen – wie bei Farid, der mit mir
einen Geburtsvorbereitungskurs besuchte und mir während der Geburt den Rücken
massierte. Ich war glücklich, dass Farid einer natürlichen Geburt zugestimmt
hatte und mich nicht zwang, in einem x-beliebigen Krankenhaus niederzukommen.
    Dann hielt ich mein Mädchen im Arm. Eine kleine Prinzessin, und so
sollte sie auch heißen: Emira. Ich war erschöpft, doch überglücklich, und alles
war wieder gut.
    Nicht alles … Wie durch einen Nebel drang Farids Stimme zu mir,
wurde scharf wie eine Rasierklinge und zerschnitt meine wabernde Wohligkeit.
Farid stritt mit zwei Hebammen. Er wollte, dass Emira von einem Kinderarzt
gründlich untersucht wurde.
    »Das ist hier nicht üblich.«
    »Ich bin Arzt. Ich weiß, was erforderlich ist.«
    Geduldig versuchten die Hebammen Farid zu erklären, dass sie nach
dem Gesetz dazu befugt waren, die Erstuntersuchung vorzunehmen. Ein Kinderarzt
werde nur dann hinzugezogen, so erklärten sie ihm, wenn etwas nicht in Ordnung
sei. Doch dafür gebe es keinen Grund.
    »Sie wissen doch nichts von Medizin!«,
ereiferte sich Farid.
    Die Hebammen baten ihn nach draußen.
    Der Riss in meiner Wohligkeit schloss sich gnädig, und ich döste
ein, mein Baby nah bei mir.
    Emira war um vier Uhr morgens zur Welt gekommen. Um sechs Uhr
morgens rüttelte Farid mich wach.
    »Wir gehen!«
    Benommen rieb ich mir die Augen.
    »Los! Steh auf!«
    »Aber …«, begann ich und wusste nicht weiter. Schluchzend schaute
ich mich in diesem wunderschönen Zimmer um. Wo konnte ich mich festbinden? Ich
hatte mich so darauf gefreut, noch einen oder zwei Tage mit dem Baby in dieser
geborgenen Atmosphäre zu verbringen. So war es im Vorfeld besprochen, wir
wollten in Ruhe zueinanderfinden, das Baby, Farid und ich, im Bett liegen und
schmusen, wollten abseits von Alltag und Hektik unserer neugeborenen Tochter
von Anfang an ein Gefühl der Sicherheit und Geborgenheit in die Wiege legen.
    »Ruf deinen Vater an, er soll uns abholen!«
    »Farid, bitte! Ich habe vor zwei Stunden ein Kind bekommen,
vielleicht erinnerst du dich

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