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Flucht in die Hoffnung

Flucht in die Hoffnung

Titel: Flucht in die Hoffnung Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tina Rothkamm
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eines Tages begriffen
hatte, dass ich nach vorne schauen musste, um weiterexistieren zu können.
Irgendwie musste ich versuchen, das Beste aus meinem Leben zu machen. Ich war
ja noch nicht mal dreißig, da konnte viel geschehen, und es mochte sich alles
noch zum Besten wenden.
    Im Augenblick jedenfalls war nur eines sicher: Ich würde mich so
schnell nicht wieder verlieben. Und wenn, dann müsste das ein Mann sein, der
genau wusste, was er im Leben wollte. Einer, der weiterkommen wollte, der mit
beiden Beinen fest im Leben stand und mit mir zusammen eine solide Existenz
aufbauen würde. Und wer weiß, dachte ich, vielleicht wäre diese Existenz ja
eines Tages tragfähig genug, um meine beiden Jungen zu mir zu holen. Das hoffte
ich insgeheim, daran hielt ich mich fest. Gut, dass ich nicht wusste, was noch
alles auf mich zukam.
    Ende Februar 2000 war es so weit: Ich flog nach Tunesien.
Unvergessen ist mir bis heute der erste Anblick des Landes vom Flugzeug aus.
Ich sah die trockenen Steppen unter mir, die staubigen Städte mit ihren
nackten, kargen Steinhäusern und war überwältigt. Alles erschien mir
atemberaubend – auch das Dreisternehotel in Sousse. Ich war ja noch nie in
einem arabischen Land gewesen und auch nicht in einem Dreisternehotel. Heute
weiß ich, dass es gar kein besonderes Hotel war. Alles war, wie es eben so ist,
wie jeder Pauschalurlauber es kennt. Doch ich machte so etwas zum ersten Mal
und war rundum begeistert. Wie liebevoll der Zimmerservice jeden Tag die
Handtücher faltete. Dann die Auswahl am Büfett, die bequemen Liegestühle auf
der Sonnenterrasse, der kleine Springbrunnen im Pool. Und erst das große, weite
Meer. Zwei Stunden spazierte ich am ersten Tag am Strand entlang und konnte
mich nicht satthören am Schwappen der Wellen. Hier würde ich wieder zu Kräften
kommen, das spürte ich.
    Am nächsten Morgen wachte ich auf von einem eigenartigen Geräusch.
Ich hatte zuerst keine Ahnung, was das sein mochte. I-aaah! Vielleicht ein Esel? Ich sprang aus dem Bett und schaute aus dem Fenster.
Tatsächlich, ein Esel! Er war vor einen Pflug gespannt, und ein alter Mann mit O -Beinen pflügte mit ihm die trockene Erde unter den
Palmen. Hin und wieder schnalzte er mit der Zunge, um den Esel anzutreiben, dem
das herzlich egal war. Der alte Mann machte trotzdem weiter, so als wolle er
klarstellen, dass er das Sagen hatte. Ich schaute den beiden zu, bis sie aus
meinem Blickfeld verschwanden. Offensichtlich hatte ich nicht nur eine
Urlaubsreise, sondern auch eine Zeitreise gebucht.
    Wie es sich für ein Hotel dieser Kategorie gehörte, gab es ein
abwechslungsreiches Animationsprogramm. Am dritten Nachmittag trieben mich die
Neugier und wohl auch die Sehnsucht in die Kinderdisco. Ich schaute den Kindern
zu, die im Takt der Hip-Hop-Musik herumhüpften, und stellte mir meine beiden
Jungs dabei vor. Traurigkeit stieg in mir auf, doch bevor die Verlorenheit nach
mir greifen und mich verschlucken konnte, stand wie aus dem Nichts ein großer,
stattlicher Mann in Anzug und Krawatte vor mir.
    »Hast du Lust, ein Bier mit mir zu trinken?«,
fragte er ohne Umschweife in einwandfreiem Englisch.
    Ich nickte, und wir setzten uns an die Bar. Der gut aussehende Mann
stellte sich als Farid vor. Drei Stunden später waren wir noch immer ins
Gespräch vertieft. Wir redeten über Allah und die Welt, gerade so, als kennten
wir uns schon lange und hätten uns Ewigkeiten nicht gesehen. Was es da alles
nachzuholen gab! Irgendwann bekamen wir Hunger, und Farid lud mich zu Couscous
ein, und danach zogen wir weiter in eine Disco. Im Stroboskoplicht – dies
allein hätte mich misstrauisch machen sollen – las er mir aus der Hand, wie er
es angeblich von seiner Großmutter gelernt hatte. Ich lachte und glaubte seinen
Prophezeiungen nur zu gern, denn er pries meine Zukunft so glücklich, wie ich
sie mir insgeheim erträumte. Langes Leben, eine glückliche Ehe, gesunde Kinder,
viel Geld. Seine braunen Augen funkelten mich an, als könnte er all das
herbeizaubern. Auf der Tanzfläche erwies er sich als würdiger Partner, wir
rockten und fetzten und lachten und tanzten ganz engen Blues. Und da wusste ich
es: So fühlte sich Glück an. Das hatte ich in den vergangenen Jahren vergessen.
    Am nächsten Morgen um fünf Uhr brüllte jemand in mein Ohr.
    »Allah u Akbar.«
    Ich fiel fast aus dem Bett. Dann fragte ich mich, was für ein Bett
das war und wo Allah plötzlich herkam. Letzteres begriff ich als Erstes: von
einem Lautsprecher,

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