Flucht ins Ungewisse
getan.
Noch bevor ich richtig wusste, was ich tat, rannte ich.
Matthew Tempson:
„Sie ist anders!“
„Hättest du es nicht anders machen können?“, fragte mich Nick und ließ meinen Arm, der um seine Schulter lag, los, sodass ich auf die Couch fiel und in das weiche Kissen sank. „Die hat jetzt sicher Schiss vor dir. Zum Glück is’ sie einfach kopflos davongestürmt, sonst hätt sie gesehen, wie ihr böser Killer von mir aufgefangen werden musste.“
Ich seufzte schwer. „Keine Ahnung … Aber besser sie hat Angst, bevor sie auf dumme Gedanken kommt, die sie noch das Leben kosten. Noch dazu sollte sie nachts nicht immer hier rumlaufen.“
Jess nickte verständnisvoll. „Da gebe ich ihm recht.“
„Immer?“, fragte Nick mit einem seltsamen Unterton in der Stimme und überging dabei Jess’ Zuspruch.
„Hab sie etwa vor einer Woche schon mal draußen getroffen, nur kurz.“ Ich winkte mit einer knappen Geste ab.
„Du hast dich mit ihr getroffen?“
„Nein, nicht so wirklich, das war eher …“
„Seit wann triffst du dich wieder mit Mädchen?“
„Ich hab mich nicht so mit ihr getroffen, es war …“
„Wie dann?“ Er rückte auf seinem Sessel weiter an die Kante vor und machte große Augen.
Er verarscht mich! „Hast du sie bezahlt, damit sie dich so richtig …“
„Weißt du was? Leck mich!“
„Das ist keine Antw-“
„Ich hab sie über den Haufen gerannt! Zufrieden?“
Nick konnte sich den überraschten Gesichtsausdruck und das anschließende Schmunzeln nicht verkneifen, bevor er laut losprustete. Jess sah mich mit großen Augen an.
Ich seufzte leise. Ich war wie versteinert gewesen, als ich Lora dort, in dieser dunklen Gasse gesehen hatte. Anscheinend war es ihr Hobby, nachts allein in der Stadt herumzuirren. Was wiederum dumm und verdammt gefährlich war.
Ob ihr zerkratzter Handrücken noch von unserem Zusammenprall stammt? Eigentlich sollte ich sie ignorieren und dafür beten, dass sich unsere Wege nie wieder kreuzen. Aber als ich ihrem Gesicht so nahe war, hatte ich etwas gespürt. Etwas Starkes, das schon als eine Art Anziehungskraft bezeichnet werden konnte. Meine Finger kribbelten immer noch von der schwachen Berührung ihrer Haut. Es war fast so stark wie bei … „Amanda“, flüsterte ich, was Nick und Jess nicht hörten, da Jess immer noch damit beschäftigt war Nick zum Schweigen zu bringen.
„Was?“, fragte ich schließlich, als ich merkte, dass Jess mich verdattert angaffte. Ich konnte bereits die ersten Auswirkungen spüren, die das Sammeln von Seelenstücken mit sich brachte. Einerseits fühlte ich mich schlecht, dass ich so etwas überhaupt tun musste, andererseits war dieses Gefühl intensiver und mächtiger als alles, was ich bisher gespürt hatte.
Jess band sich ihre langen Haare zurück. „Dein Tattoo … Ich habe noch nie gesehen, dass es so rot werden kann. Sieht aus, als würdest du brennen.“
Ich strich über die Stelle an meinem Hals. Sie pulsierte und glühte förmlich vor Hitze. „Nein, das ist normal. Es tritt in unterschiedlichen Abständen auf, nachdem ich Teile einer Seele übernommen habe. Amanda müsste es auch spüren. Immerhin zehrt sie an meiner Kraft.“
Ich hatte auch schon einmal mit dem Gedanken gespielt, ob Amanda mit mir sterben würde, wenn ich meinem Bedürfnis nach einer Seele nicht nachkäme.
Aber ich werde nicht sterben. Noch nicht. Ich werde ein freies Leben führen und Amanda zur Rechenschaft ziehen!
Das Glas des Terrariums krachte, als Syria sich sehnsüchtig dagegen drückte. Sie wollte heraus. Aber Nick meinte, Frauen – egal, ob Mensch oder Tier – sollte man von Zeit zu Zeit in ihre Schranken weisen. Zum Glück war Jess nicht hier gewesen, denn diese Aussage hätte ihr bestimmt nicht gefallen. Aber die anhängliche Schlange hatte seine private Heftsammlung zerknittert, als sie sich darüber geschlängelt hatte, und damit für ihren Hausarrest gesorgt.
„Na, immerhin hast du ein zeitloses Motiv als Tattoo. Es deutet zumindest nicht auf durchgeknallte Schlampe hin“, meinte Nick und steckte den Kopf in den Kühlschrank.
„Ja, wahrscheinlich kann ich froh sein, dass es kein geflügeltes Einhorn mit herausgerissenem Herz ist.“
Er warf mir eine Dose Bier zu. Ich fing sie, obwohl ich sie erst im letzten Augenblick bemerkte. Ich grinste leicht.
Trotz allem gefielen mir meine verstärkten Reflexe und Sinne. Das einzig Positive an dem Ganzen.
„Ich schätze, du kannst froh sein, dass du überhaupt noch
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