Flucht nach Colorado
Krankenschwester an.
„Ziehen Sie das Hemd aus."
Obwohl sein linker Arm steif war, gelang es ihm, das Hemd aufzuknöpfen und zugleich die Pistole fest umklammert zu halten. Darunter trug er ein weißes Baumwollshirt.
„Ziehen Sie das auch aus." Sie stand mit über der Brust verschränkten Armen vor dem Waschbecken. „Wie ich sehe, haben Sie jede Menge Bandagen auf den Tisch gelegt. Sie hatten kein Recht, all meine Sachen zu durchwühlen, Jordan."
„Sie hätten die Tür nicht unverschlossen lassen sollen."
„Ich schließe fast nie ab, wenn ich gehe." Sie zuckte mit den Schultern. „Es gibt genug Möglichkeiten einzubrechen. Wenn mich jemand ausrauben will, dann kann ich mir wenigstens die Mühe ersparen, ein eingeschlagenes Fenster zu ersetzen."
„Wie großzügig", spottete er.
„Davon abgesehen hatte ich gehofft, dass mein grimmiger Wachhund jeden Verbrecher abschrecken würde."
„Er ist ein netter kleiner Kerl. Wie heißt er?"
„Pookie."
„Nun, da haben wir das Problem", sagte Jordan. „Wenn er ein Wachhund sein soll, müssen Sie ihn Spike oder Killer nennen."
„Nur zu Ihrer Information, Pookie kommt von Pukka, was in Indien ein Ausdruck für Adel und Respekt ist."
„Warum haben Sie ihn dann nicht gleich Ghandi genannt? Komm her, Ghandi."
„Wuff wuffz, wau." Der Hund sprang auf, ignorierte die Waffe und leckte Jordans nackten Unterarm.
„Komisches Bellen", sagte er.
„Nicht schlimmer als seine Bisse."
Jordan blickte auf den gelenkigen kleinen Golden-Retriever-Welpen herab und konnte nicht verhindern, dass sich seine Mundwinkel hoben. Schon wieder ein Lächeln.
So langsam dämmerte ihm, dass er tatsächlich frei war. Nach sechs Wochen im Gefängnis war er wieder im richtigen Leben, ohne Fesseln und Handschellen. Freiheit bedeutete, dass er die Wahl hatte, verschiedene Möglichkeiten, die Chance, mehr zu tun, als nur immer wieder seine Unschuld zu beteuern, bis alle Worte leer und sinnlos klangen.
„Ihr T-Shirt", sagte Emily. „Ziehen Sie es aus und kommen Sie hinüber zum Waschbecken."
Er tat, wie ihm geheißen. Zwar war er sich nicht ganz sicher, ob er ihr vertrauen konnte, aber er war davon überzeugt, dass sie ihn auf jeden Fall medizinisch versorgen würde. Schon als er sie während ihres Vortrags über Sicherheit beim Bergsteigen zum ersten Mal gesehen hatte, war er von ihrer Professionalität beeindruckt gewesen. Damals war er mit Lynette zu dem Treffen der Aspen-Ski-Patrouille gegangen. Ihre Ehe war schon nicht mehr in Ordnung gewesen, doch Jordan hatte versucht, sich mehr für Lynettes Leben zu interessieren.
Es hatte nicht lange gedauert, bis Emily Foster ihn zu faszinieren begann. Ihr lockiges blondes Haar und ihre lebhafte Farbe standen in strengem Kontrast zu der kühlen Schönheit seiner Frau. Als verheirateter Mann hätte Jordan nie mehr riskiert als einen Blick. Den hatte er allerdings genutzt und sie sich ziemlich genau angesehen. Jetzt in Emilys Nähe zu sein fühlte sich an wie Frühling nach einem eiskalten Winter an der Seite seiner Eisprinzessin. Arme Lynette! Diesen schrecklichen Tod hatte sie nicht verdient. Er durfte nicht zulassen, dass ihr Mörder ungestraft davonkam.
„Autsch!" Emily bestrich seine Wunde mit Jod.
„Das desinfiziert, damit es zu keiner Infektion kommt", erklärte sie. „Sie haben da eine saubere Austrittswunde. Die Kugel ist Gott sei Dank durchgeschlagen, ohne einen Knochen zu verletzen. Sie hatten Glück."
„Vermutlich." Zwar würde er es nicht gerade als Glücksfall bezeichnen, dass er angeschossen worden war, aber zumindest konnte er nun wieder Hoffnung schöpfen. Seine unglaubliche Flucht gab ihm eine zweite Chance, und die musste er nutzen.
Sie drückte ihn auf einen Stuhl neben dem Küchentisch. Bevor sie die Wunde verband, ging sie zum Kühlschrank, nahm eine Flasche Orangensaft heraus und schenkte ihm ein großes Glas ein. „Trinken Sie das. Wahrscheinlich sollten Sie auch etwas essen."
„Danke." Inzwischen war schon nach vierzehn Uhr, und er hatte seit dem Frühstück nichts mehr in den Magen bekommen.
Als sie dann an seinem Arm weitermachte, spürte Jordan den Schmerz kaum noch. Er war viel zu sehr damit beschäftigt, über seine Möglichkeiten nachzudenken. Am wichtigsten war, nicht geschnappt zu werden. „Durch Ihre Arbeit beim Rettungsdienst sind Sie doch ständig im Kontakt mit dem Sheriff."
„Das stimmt", sagte sie, presste geschickt ein Stück Mull auf die Wunde und legte den Verband an.
„Was geschieht,
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