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Flüchtig!

Flüchtig!

Titel: Flüchtig! Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jonathan Kellerman
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nichts weiter als ein Gespräch führen möchte.«
    Der Jamaikaner riß die Nasenlöcher auf.
    »Also gut«, fuhr Milo fort, »Sie können wählen. Entweder Sie ermöglichen uns dieses Gespräch, oder Sie geben sich weiterhin obstruktiv. In diesem Fall werde ich nicht umhin können, Ihnen ein paar erhebliche körperliche Schäden zuzufügen, ganz zu schweigen von den damit verbundenen Schmerzen, und Sie anschließend festzunehmen wegen Behinderung eines Polizeibeamten bei der Ausübung seiner Dienstpflicht. In der Haft werde ich Ihnen die Handfesseln so eng anlegen, daß Ihnen die Pfoten absterben, und außerdem werfe ich Sie in eine Zelle, wo schon ein Dutzend fanatische Anhänger der Arischen Bruderschaft auf Sie wartet.«
    Der Jamaikaner überlegte. Dann wich er vor Milo zurück, aber der Kriminalbeamte blieb dicht bei ihm und atmete ihm ins Gesicht.
    »Ich werden sehen, ob sie frei ist«, murmelte er, öffnete die Tür einen Spaltbreit und war auch schon verschwunden.
    Er kehrte innerhalb von Sekunden zurück, die Augen funkelnd vor Zorn über diese Beeinträchtigung seiner glorreichen Männlichkeit, und bewegte den Kopf in Richtung offene Tür.
    Wir folgten ihm in ein leeres Vorzimmer. Er blieb vor einer Doppeltür stehen und drückte eine Codezahl in ein Schaltpult. Es summte leise, dann öffnete er eine der beiden Türen.
    Eine dunkelhaarige Frau saß hinter einem Schreibtisch aus Metallrohren und einer Marmorplatte, in einem Büro von der Größe eines Ballsaals. Den Boden bedeckte Industrie-Auslegeware in der Farbe von nassem Zement. Hinter ihr befand sich eine Wand aus Rauchglas, die einen gedämpften Ausblick auf die Santa-Monica-Berge und das Valley dahinter bot. Die eine Seite des Büros schien den Phantasien eines Innenausstatters aus West Hollywood überlassen worden zu sein: gnadenlos moderne Ledersessel in Mauve, dazu ein Art-Deco-Sideboard aus Rosenholz und Shagrinleder, wie ich es erst kürzlich in einem Katalog von Sotheby’s gesehen hatte; das Möbel kostete dort mehr, als Milo in einem ganzen Jahr verdiente. Auf der anderen Seite war der Geschäftsbereich: ein Konferenztisch aus Rosenholz, eine Wand mit schwarzen Karteischränken, zwei Computer und eine Ecke, in der sich fotografische Geräte stapelten.
    Der Jamaikaner blieb mit dem Rücken zur Tür stehen und nahm wieder seine Wachpostenstellung ein. Er bemühte sich, sein Gesicht zu einer grimmigen Kriegermaske zu verzerren, aber unter der dunklen Oberfläche seiner Haut zeigte sich noch immer starke Röte.
    »Du kannst gehen, Leon«, sagte die Frau. Sie hatte eine Whiskystimme.
    Der Jamaikaner zögerte. Sie warf ihm einen gebieterischen Blick zu. Er ging rasch hinaus.
    Die Frau blieb hinter ihrem Schreibtisch sitzen. Ohne uns einzuladen, Platz zu nehmen, begann sie:
    »Leon hat mir gesagt, daß Sie sehr grob gewesen sind.«
    Die Frau war um die Vierzig, untersetzt, mit kleinen trüb-grauen Augen und kurzen, dicken Fingern, die auf die Marmorplatte trommelten. Ihr Haar war stumpf und kurz geschnitten. Sie trug ein streng geschäftliches schwarzes Schneiderkostüm. Die üppigen Rüschen ihrer weißen Crepe-de-Chine-Bluse wirkten unpassend.
    »Meine Güte«, sagte Milo. »Es tut mir wirklich leid, Ms. Rambo. Hoffentlich haben wir seine Gefühle nicht verletzt.«
    Die Frau lachte, und es klang wie ein kehliges Knurren. »Leon ist eine Primadonna. Ich halte ihn nur aus Dekorationsgründen.« Sie nahm eine extralange Zigarette aus einer Schachtel und zündete sie sich an. Dann stieß sie eine Rauchwolke aus und schaute zu, wie sie nach oben stieg.
    Als sich der Rauch im Raum verteilt hatte, begann sie erneut:
    »Die Antworten auf ihre drei ersten Fragen lauten: Nummer eins: Es handelt sich um Boten, nicht um Huren. Nummer zwei: Was sie in ihrer Freizeit tun, ist ihre Privatsache. Nummer drei: Ja, er ist mein Vater, und wir telefonieren etwa einmal im Monat miteinander.«
    »Ich komme nicht vom Sittendezernat«, sagte Milo, »und es ist mir scheißegal, ob Ihre Boten geilen alten Männern die Hosen heiß machen oder nicht.«
    »Wie tolerant von Ihnen«, erwiderte sie kalt.
    »Dafür bin ich bekannt. Leben und leben lassen.«
    »Was wollen Sie also?«
    Er gab ihr seine Visitenkarte.
    »Mordkommission?« Sie zog die Augenbrauen hoch, blieb aber gelassen. »Wer hat ins Gras gebissen?«
    »Vielleicht niemand, vielleicht mehrere. Bis jetzt ist es nicht mehr als ein Verschwinden unter mysteriösen Umständen. Eine Familie aus dem Süden, nicht weit von

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