Flüchtig!
in die Klinik. Meistens waren es diejenigen, die sich zurückhielten und ihr Leid nicht mit anderen teilten. Bei ihnen bestand immer die Gefahr, daß sie explodierten.« Was ziemlich gut zu der Beschreibung paßte, die mir Beverly von Garland Swope gegeben hatte. Ich sagte es ihm.
»Dann könnte also auch er das gewesen sein«, sagte er voller Unbehagen.
»Aber ich glaube es nicht.«
Die schweren Schultern hoben und senkten sich.
»Ich glaube an diesem Punkt eigentlich noch gar nichts. Denn, Freund, wir leben hier in einer Stadt voll Verrückter. Jedes Jahr gibt es mehr Tötungsdelikte als im Jahr zuvor, und unschuldige Menschen werden aus den wahnwitzigsten Gründen umgelegt. Letzte Woche hat ein alter Narr seinem Nachbarn das Messer in die Brust gestoßen, weil er absolut sicher war, der andere würde seine Tomatenpflanzen mit bösen Strahlen umbringen, die ihm aus dem Nabel kämen. Vollkommen übergeschnappte Arschlöcher gehen in Schnellimbißrestaurants und mähen junge Leute nieder, die dort sitzen und Hamburger essen. Als ich zur Mordkommission gekommen war, war alles noch einigermaßen logisch und einfach, wirklich. Die meisten Fälle, mit denen wir zu tun hatten, waren das Resultat unglücklicher Liebe, Eifersucht oder Habgier. Es gab Familienstreitigkeiten und so weiter - die üblichen Konflikte. Aber jetzt, du meine Güte, compadre. Du glaubst, es sind zu viele Löcher im Schweizer Käse? Ganz einfach, dann leg doch den Delikatessenhändler um. Lauter Irre!«
»Und das hier mutet dich wie die Tat eines Irren an?«
»Wer, zum Teufel, soll das wissen, Alex? Es geht da nicht um klare, wissenschaftliche Begriffe. Höchstwahrscheinlich wird es so sein, wie ich vorhin sagte. Einer von ihnen - wahrscheinlich der Vater - hat sich das beschissene Blatt, das ihm das Schicksal in die Hand gespielt hat, genauer angeschaut und in einem Wutanfall das Zimmer durcheinandergeworfen. Da sie den Wagen nicht mitgenommen haben, kommen sie möglicherweise sogar zurück. Andererseits kann ich nicht garantieren, daß sie nicht zufällig zur falschen Zeit am falschen Ort gewesen und an einen Wahnsinnigen geraten sind, der sie für die Vampire vom Planeten Pluto hielt, die ihm die Leber aus dem Leib reißen wollen.« Er hielt das Streichholzbriefchen zwischen Daumen und Zeigefinger und wedelte damit wie mit einer kleinen Flagge.
»Momentan haben wir leider nicht mehr als das. Es fällt nicht in meine Zuständigkeit, aber ich hab’ nun mal den Tatort besichtigt und werde deinetwegen die Sache weiterverfolgen, okay?«
»Danke, Milo. Vielleicht beruhigt es den einen oder anderen der Beteiligten, wenn wir der Geschichte auf den Grund gehen. Darf ich dir dabei Gesellschaft leisten?«
»Klar, warum nicht? Schließlich hab’ ich dich schon eine Weile nicht gesehen. Und falls der temporäre Verlust der reizenden Ms. Robin Castagna dich nicht unerträglich mürrisch gemacht hat, wäre es sogar möglich, daß es mir Spaß macht, mit dir zusammen weiterzuforschen.«
7
Auf dem Streichholzbriefchen stand zwar eine Telefonnummer, aber keine Adresse, daher rief Milo beim Sittendezernat an und bekam sie prompt, zusammen mit etwas Hintergrundmaterial über den Adam & Eve-Botendienst.
»Die wissen genau, wie man’s macht«, sagte er, während er auf den Pico Boulevard in Richtung Osten einbog. »Besitzer ist ein reizendes Schätzchen namens Jane Rambo; die hat ihre Finger in diesem und jenem und allem möglichen. Daddy ist eine Gangsterpersönlichkeit in San Francisco. Und die kleine Jane ist sein ganzer Stolz.«
»Was ist das für ein Unternehmen? Eine Fassade für einen Callgirlring?«
»Das und noch das eine oder andere mehr. Bei der Sitte ist man überzeugt davon, daß die Boten manchmal auch Rauschgift transportieren, doch das ist nur ein Nebengeschäft, improvisiert, wenn man mal jemandem einen Gefallen tun will. Der Service umfaßt auch relativ legale Dinge, zum Beispiel Partyscherze, sagen wir, wenn der Boß Geburtstag hat und ein sexy aussehendes junges Ding bei der Feier im Büro auftaucht, einen heißen Strip hinlegt und sich dann auf den Alten schmeißt. Aber meistens geht es um käuflichen Sex in der einen oder anderen Weise.«
»Das wirft doch wohl ein völlig neues Licht auf Nona Swope«, sagte ich.
»Vielleicht. Sie sieht gut aus, hast du gesagt.«
»Fabelhaft, Milo. Ungewöhnlich gut.«
»Also weiß sie, was sie von der Natur mitbekommen hat, und ist bereit, davon zu profitieren - sicher, es könnte etwas mit
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