Flüchtig!
der Grenze. Die Tochter hat für Sie gearbeitet. Nona Swope.«
Sie nahm einen Zug aus der Zigarette, wobei sich die Glut hellrot färbte.
»Ah, Nona. Diese rothaarige Schönheit. Ist sie die Verdächtige oder das Opfer?«
»Sagen Sie mir, was Sie von ihr wissen«, forderte Milo sie auf, indem er seinen Notizblock herausnahm.
Sie holte einen Schlüssel aus einer Schreibtischschublade, stand auf, glättete ihren Kostümrock und ging zum Aktenschrank. Sie war überraschend klein, höchstens eins fünfundfünfzig. »Vermutlich rechnen Sie damit, daß ich mich stur stelle, was?« Sie steckte den Schlüssel ins Schloß und drehte ihn um. Eine Schublade glitt auf. »Daß ich mich weigere, Ihnen irgendwelche Informationen zu geben, und nach meinem Anwalt schreie.«
»Das wäre in der Art von Leon.«
Die Antwort amüsierte sie. »Leon ist ein guter Wachhund. Nein«, sagte sie und nahm einen Aktenordner heraus , »es ist mir egal, ob Sie das hier über Nona lesen oder nicht. Ich habe nichts zu verbergen, und sie bedeutet mir nichts.«
Jetzt ließ sie sich wieder hinter ihrem Schreibtisch nieder und schob Milo den Ordner zu. Er schlug ihn auf, und ich schaute ihm über die Schulter. Die erste Seite war ein Einstellungsantrag, dessen Schrift den Eindruck des Zögerns vermittelte.
Das Mädchen hieß mit vollem Namen Annona Blossom Swope. Sie hatte ein Geburtsdatum eingetragen, nach dem sie gerade zwanzig war, und ihre körperlichen Daten entsprachen meiner Erinnerung an sie. Als Wohnort hatte sie eine Adresse am Sunset Boulevard angegeben - das Western Pediatric Medical Center - ohne die dazugehörige Telefonnummer.
Die Fotos im Format achtzehn mal vierundzwanzig waren in diesem Büro aufgenommen worden - ich erkannte die lederbezogenen Sessel -, und zeigten sie in allen möglichen Posen, sämtliche von schwülerotischer Art. Es waren Schwarzweißfotos, und sie wurden ihr nicht gerecht, weil die dramatische Farbe fehlte. Immerhin konnte man sagen, daß sie das besaß, was Profis als ›Präsenz‹ bezeichneten, und das sah man auch an diesen Bildern.
Wir schauten sie der Reihe nach durch: Nona in einem Bikini, den sie sich über die Hüfte nach unten gerollt hatte, Nona ohne BH in einem Trägerhemd mit Jeans, wobei die Brustwarzen sich durch den dünnen Stoff abdrückten, Nona, katzengleich, in einem hauchdünnen Negligé und mit einem ›Ihr könnt mich alle‹-Ausdruck in den dunklen Augen.
Milo pfiff leise. Ich fühlte unwillkürlich ein Pochen unterhalb der Gürtellinie.
»Das ist ein Mädchen, was?« sagte Jane Rambo. »Durch dieses Portal ist schon eine Menge Fleisch gegangen, das können Sie mir glauben, meine Herren. Sie hat alle anderen übertrumpft. Ich habe sie Daisy Mae genannt, weil sie irgendwie etwas Naives an sich hatte. Trotzdem, sie war ein kleines Mädchen, das in manchen Dingen groß war, wenn Sie verstehen, was ich meine.«
»Wann sind diese Fotos aufgenommen worden?« fragte Milo.
»Am ersten Tag, als sie hierherkam - wann war das? Ich würde sagen, vor einer Woche. Ich hab’ nur einen Blick auf sie geworfen und sofort den Fotografen kommen lassen. Wir haben die Fotos geschossen und sie noch am selben Tag entwickelt. Ich hielt das Mädchen für eine gute Investition und ließ sie gleich mit Botendiensten beginnen.«
»Und was sollte sie dabei tun?« drängte er.
»Botendienste, wie gesagt. Und zwar nichts anderes. Wir haben ein paar grundlegende Rollenspiele ausgearbeitet: Doktor und Krankenschwester, Professor und Studentin, Adam und Eva, Domina und Sklave oder umgekehrt. Die ältesten und abgeschmacktesten Klischees, aber der durchschnittliche Spießer bricht nicht aus diesen Klischees aus, wenn es um erotische Phantasien geht. Der Kunde wählt das Spiel, wir schicken die Paare zu ihm, und das läuft ab wie einer der üblichen Botendienste - Sie wissen: Herzlichen Glückwunsch zum Geburtstag, Joe Smith, das ist ein Geschenk von deiner Dienstagabend-Pokerrunde, und schon fängt die Show an. Es ist völlig legal: Sie spielen und albern herum und tun so, als ob - aber nichts, was gegen das Gesetz wäre.«
»Und was kostet das die Pokerrunde?«
»Zweihundert. Sechzig an die Boten, der Rest wird fifty-fifty geteilt. Dazu kommen möglicherweise noch Trinkgelder.«
Ich rechnete rasch durch. Selbst wenn Nona nur die halbe Zeit arbeitete, konnte sie damit hundert Dollar und mehr pro Tag verdienen. Viel Geld für ein Mädchen vom Land, das gerade zwanzig geworden war.
»Und wenn der Kunde bereit
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