Fluegelschlag
zu tun hatte - um niemanden Sorgen. Zuallerletzt um eine unbedeutende Sterbliche in den Räumen seines Untergebenen.
Merkwürdig erleichtert über sein offenkundiges Desinteresse
senkte sie den Kopf, um nicht beim Starren erwischt zu werden. Doch unter den sittsam niedergeschlagenen Lidern beobachtete sie jede Bewegung des mächtigen Dämons. War er der geheime Auftraggeber Nácars, der die Entführung der Schutzengel befohlen hatte? Hastig bemühte sie sich, ihre Gedanken in harmlosere Bahnen zu lenken. Wie sie es gelernt hatte, stellte sie sich einen wirbelnden Strudel vor, der jeden Satz, jedes Wort mit sich in die Tiefe ihres Inneren saugte, bis sich oben an der Oberfläche nichts mehr befand, was ein Gedankenleser ihr hätte stehlen können.
Vermutlich war es dieses Vakuum, das den aristokratischen Dämon zu ihr herübersehen ließ. Er betrachtete sie eingehend und ignorierte dabei Nácars Bemühungen, seine Aufmerksamkeit zurückzugewinnen. Die wenigen Sekunden, die diese Inspektion dauerte, beunruhigten ihr Herz mehr als Nácars Entführung und seine Belästigungen zusammen. Das wissende Zwinkern brachte sie schließlich vollständig durcheinander.
»Möchtest du mir etwas sagen?« Seine Stimme glitt schmeichelnd über ihre Haut, und zu ihrem Entsetzen spürte sie das zarte Flattern von Schmetterlingsflügeln in Regionen ihres Körpers, die sie einem solchen Ungeheuer niemals offenbaren würde. »Ja!« Sie erkannte ihre eigene Stimme in diesem kehligen Laut nicht wieder. Schon teilten sich ihre Lippen zu einer zweifellos beschämenden Antwort, da sprach der Dämonenlord weiter, ohne den Blick von ihr zu wenden. »Es gibt da ein paar Dinge, über die ich mit dir sprechen möchte.«
Und ehe sie begriff, dass Nácar und nicht sie gemeint war, legte er eine Hand auf Nácars Schulter, und die beiden verschwanden.
Es roch so sehr nach Schwefel, dass sie niesen musste.
»Ekelhaft, nicht wahr?« Nigella reichte ihr ein Taschentuch.
Juna nahm es dankbar entgegen. Eines musste sie diesem Nácar lassen, er schien größten Wert auf kostbare Textilien zu legen. Die Bettwäsche war aus bestem Leinen, und das Tuch, in das sie sich nun schnäuzte, besaß nicht nur ein Monogramm, es war auch weicher als jedes Papiertaschentuch, das sie kannte. »Danke. Ja, ein scheußlicher Geruch. Warum ist mir das vorher nie aufgefallen?«
»Sie können ihn verbergen, wenn sie es darauf anlegen.«
»Aha!« Dabei atmete sie tief durch die Nase ein, weil ein neuer Geruch ihre Sinne reizte. Von dem Schwefel keine Spur mehr, stattdessen schwebte der Duft einer frischen Meerbrise durch den Raum, ein bisschen fischig vielleicht, aber deutlich besser als das, was die Dämonen absonderten. »Woher …?« Und dann begriff sie. »Du bist …« Sie verstummte.
Was sollte sie auch sagen? Dass sie Nigella für jemanden der gleichen Art, Rasse - was sagte man da eigentlich? - hielt, wie den merkwürdigen Mann, in dessen Obhut Arian sie unbedingt hatte lassen wollen? Sie entschied sich für eine diplomatische Annäherung. »Du wirst mir vielleicht nicht glauben, aber gerade bin ich jemandem in Glasgow begegnet, an den du mich irgendwie erinnerst. Obwohl er eine erdverbundenere Ausstrahlung besaß.« Sie griff in ihr Dekolleté und zog das Holzstück hervor, das bisher niemand bemerkt zu haben schien. »Du kennst nicht zufällig jemanden, der solche Dinge verschenkt?«
Stumm blickte Nigella auf das Amulett. Langsam streckte
sie die Hand danach aus, und Juna sah, dass die eleganten Finger mit den gepflegten Nägeln zitterten. »Cathure!«, hauchte sie und fiel zu Boden.
»Nigella, hallo? Das ist nun nicht gerade das, was ich mir unter einer freudigen Reaktion vorstelle.« Juna tätschelte die Wange ihrer Wärterin und fragte sich, wie sie in diese absurde Situation geraten konnte.
»Mein Seelengefährte.« Die Tränen in Nigellas Augen sprachen Bände, und Juna verzichtete vorerst darauf, die Frage zu stellen, die ganz vorn auf der Zungenspitze wartete: Warum hat er dich dann nicht längst hier herausgeholt? Stattdessen erkundigte sie sich: »Was …« Als Nigella mit einem merkwürdigen Gesichtsausdruck aufsah, korrigierte sie sich hastig. »Wer bist du?«
»Ich vergebe dir.«
Das war zwar äußerst freundlich, aber gebeten hatte sie nicht darum. Juna verkniff sich eine schnippische Antwort und zog lediglich die linke Augenbraue hoch.
Doch Nigella ignorierte ihre Signale oder verstand sie vielleicht einfach nicht. »Ihr Menschen seid nicht
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