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Fluegelschlag

Titel: Fluegelschlag Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jeanine Krock
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erdrückend,
um einladend zu wirken. Der kurze Schmerz, der ihn mitten in der Halle jedes Mal zur Vorsicht gemahnte, wenn er die Grenzen von Zeit und Raum durchschritt, traf ihn heute besonders heftig, so dass er beinahe ins Taumeln geraten wäre. Er atmete tief durch, um sich zu sammeln. Unbewusst legte er seine Hand über die Stelle, an der ihn das Michaelisschwert für immer gezeichnet hatte. Sollte dies eine Warnung sein und ihn darauf vorbereiten, dass andere wissen würden, was mit ihm geschehen war? Es gab nur einen Weg, es herauszufinden. Nachdem er eine kunstvoll gefertigte Klinke aus Ebenholz herabgedrückt hatte, schwang die Tür lautlos auf und gab den Blick auf die frivole Pracht eines viktorianischen Etablissements frei. Der einzige Unterschied zu den luxuriösen Bordellen der Vergangenheit war, dass nicht die Körper schöner Frauen oder Knaben feilgeboten wurden: Die Ware, mit der man hier handelte, hieß Information . Doch vielleicht war der Unterschied gar nicht so groß. Leises Stimmengemurmel begrüßte ihn, doch die meisten Sessel, die man locker um niedrige Tische gruppiert hatte, waren leer. Der Barkeeper rechter Hand sah herüber. In der einen Hand ein Leinentuch, in der anderen ein Glas, stand er bewegungslos da. Engel gehörten augenscheinlich nicht zu seinen Stammgästen. Arian fühlte das Kribbeln auf der Haut, das ihn immer dann warnte, wenn jemand herauszufinden versuchte, wer oder was er war. Schließlich nickte der Keeper kurz, als Zeichen dafür, dass er mit dem Ergebnis seiner Prüfung zufrieden war, und wandte sich wieder seinen Gläsern zu. Aus dem Augenwinkel beobachtete Arian, wie einer der Gäste zur Zeitung griff. Erst jetzt bemerkte er, wie angespannt er gewesen war. Die Tür fiel hinter ihm ins Schloss, und der dicke Teppich schluckte
jedes Geräusch, als er in seiner menschlichen Gestalt auf eine verdeckte Nische zuschritt.
    »Zwei Engel sitzen auf einer Wolke. Fragt der eine …« Den Rest brauchte er nicht zu hören, um zu wissen, dass er richtig war. Alle Personen am Tisch blickten gleichzeitig auf. Der Erzähler hielt inne und hustete kurz. Er ließ ein Knurren hören, das weniger Hartgesottene in die Flucht geschlagen hätte. Als sich die Frau neben ihm herüberbeugte und die Hand auf seinen Arm legte, verstummte er widerstrebend und rutschte tief in seinen Sitz, ohne den Eindringling für eine Sekunde aus den Augen zu lassen.
    Arian zeigte ein schmales Lächeln. Lycantropen reagierten nervös, wenn ihnen jemand eine strahlende Zahnreihe präsentierte. Dem Wolfspaar gegenüber saß ein Wesen, dessen weißes Haar mehr über seine Natur verriet als seine ausdruckslose Miene. Sein Gesicht war das eines Zwanzigjährigen. Selbst die Augen verrieten ihn nicht, während er einen Punkt irgendwo an der Wand fixierte und bemüht war, die Raumtemperatur nicht sinken zu lassen. Dabei lauerte ein Lächeln in seinen Augenwinkeln, das ausgereicht hätte, die Welt in eine Eishölle zu verwandeln. Der vierte in der Runde war ein Vampir, dessen Reptilpupillen keinerlei Emotionen preisgaben. Langsam ließ er den Blick über die anderen magischen Kreaturen in seiner Gesellschaft gleiten. Den Neuankömmling schien er dabei nicht zu beachten. Arian ließ sich nicht beirren. Er wartete.
    Als ganz offensichtlich niemand gewillt zu sein schien, als Erster das Wort zu ergreifen, am allerwenigsten der Neuankömmling, stand der Weißhaarige schließlich auf und bedeutete Arian, ihm zu folgen. Sie traten durch eine unscheinbare
Tür in das traditionell britische Büro eines einflussreichen Mannes.
    Kaum hatte er das feine Klicken des Schlosses gehört, fuhr eben dieser Mann herum. »Was willst du?« Er war eine der wenigen magischen Kreaturen in diesem Refugium, die sehr genau wussten, was Arian war, und das auch nur, weil dieser ihm vor sehr langer Zeit einmal das Leben gerettet hatte. Dies bedeutete jedoch keineswegs, dass sie Freunde waren. Geschäftspartner beschrieb ihre Beziehung am besten. Der Feenprinz Cathure verstand es normalerweise bestens, seine wahren Gefühle zu verbergen. Vollständig gelang ihm dies momentan allerdings nicht. Arian fragte sich, ob Cathure fürchtete, er wäre gekommen, um seine Schulden einzutreiben, und gab sich keine Mühe, den mächtigsten Vertreter der Feenwelt in diesem Teil der Erde etwas anderes glauben zu lassen.
    Die meisten magischen Wesen waren mit dem Konzept der Selbstlosigkeit nicht vertraut. Sie empfanden es als unheimlich, in der Schuld eines

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