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Fluegelschlag

Titel: Fluegelschlag Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jeanine Krock
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warum habe ich dann meine Kräfte behalten?«
    »Sei doch froh, dass du auf nichts verzichten musst. Und stell dir vor: Es werden mit der Zeit sogar noch ein paar andere hübsche Talente hinzukommen, verlass dich drauf!« Gabriel wirkte auf einmal abwesend. »Weißt du, so schlimm ist es gar nicht, zu den Verstoßenen zu gehören. Klar, Elysium ist futsch …« Er schien auf etwas zu lauschen, das nur er hören konnte. Dann wandte er seine Aufmerksamkeit wieder dem Gespräch zu: »Dir kann niemand verbieten, deine Nase in Sachen zu stecken, die dich nichts angehen. Aber überleg dir genau, was du tust. Du bist ganz auf dich gestellt und hast kein Backup von der Firma mehr. Und Arian …« Jetzt sah er ihn direkt an. »Bilde dir nicht ein, dass irgendetwas von dem, was du tust, dir jemals wieder den Rückweg ebnen wird. Selbst wenn Nephthys es erlauben würde, die Gerechten geben niemandem eine zweite Chance.« Jedes Wort spuckte er aus, als wollte er den unangenehmen Geschmack auf seiner Zunge loswerden, den die Erwähnung der Gerechten hinterließ.
Arian öffnete den Mund, um zu antworten, aber Gabriel schnitt ihm das Wort ab. »Keine Zeit mehr zum Plaudern.« Und dann war er weg. Einfach so.
    Entgeistert sah Arian auf die Stelle, an der Gabriel eben noch gestanden hatte. Unter Engeln war es verpönt, sich auf diese Weise davonzumachen. Vielmehr handelte es sich dabei um eine typische Eigenschaft von Dämonen. Allerdings hinterließen diese eine Spur. Arian atmete tief durch die Nase ein. Kein Schwefel! Nur die mächtigsten Dämonen verstanden sich auf ein gänzlich spurloses Verschwinden. Was auch immer aus Gabriel geworden war, ein Herrscher Abaddons war er sicherlich nicht. Womöglich gehörte diese Form des Ortswechsels zu den erwähnten neuen Fähigkeiten. Warum nicht! Er hatte die Höllenfürsten schon immer um ihre Talente beneidet. Gepaart mit den guten Absichten der Engel, hätte man damit viele Probleme des Universums lösen können.
    Plötzlich sah Arian seinen Weg ganz klar vor sich: Er würde das Rätsel der verschwundenen Schutzengel lösen und die Verantwortlichen zur Rechenschaft ziehen, wie er es immer getan hatte. Ganz egal, ob er ein Gefallener war oder nicht. Er mochte nicht frei von Fehlern sein, doch Trägheit gehörte nicht zu seinen Sünden, und er ahnte, dass ihm wenig Zeit blieb. Also entschloss er sich zu tun, was er schon immer am besten gekonnt hatte: Informationen sammeln, angreifen und kämpfen. Und vielleicht gelang es ihm sogar, Gabriel auf den rechten Weg zurückzuführen. Wie viel Sünde konnte er schon in so kurzer Zeit seit seinem Verschwinden auf sich geladen haben? Endlich von der Last der Ungewissheit befreit, wandte er sich nach Westen, um seine erste Aufgabe zu erfüllen.

     
    Wenig später stellte er fest, dass sich seit seinem letzten Besuch zumindest in diesem Teil der Stadt nicht viel verändert hatte. Mit schnellen Schritten überquerte er den roten Asphalt des Platzes, den man George Square nannte. Dabei vermied er es, den Weg der wenigen Menschen zu kreuzen, die heute unterwegs waren. Er erinnerte sich noch gut an die Jahre, als dieser Ort kaum mehr als eine mit schmutzigem Wasser gefüllte Senke gewesen war, in der man Pferde geschlachtet hatte. Die Glaswegians hatten ihn zwar nach George III., dem dritten hannoverschen König benannt, mit einer Statue geehrt wurde hier jedoch Sir Walter Scott. Im Vorbeigehen gönnte er dem berühmten Dichter und den ihn umgebenden, prächtigen viktorianischen Häusern kaum mehr als einen flüchtigen Blick, bevor er sein Ziel ereichte. Die unauffällige Eingangstür im Schatten eines weitaus beeindruckenderen Portals war kürzlich gestrichen worden, was Arian ein wenig verwunderte. Die meisten Menschen nahmen diese Tür nicht einmal wahr, denn sie wurde von einer einzigartigen Magie geschützt. Nur ein auserwählter Kreis wusste, dass sich hier der Zugang zu einer exklusiven Welt befand.
    Er trat ein und stieg ein paar Stufen hinauf. Die Halle durchquerte er so lautlos, wie es nur ein schwebender Engel vermochte. Jemand hatte diesen Weg, den Arian heute äußerst ungern zurücklegte, einmal im Scherz als Erster-Klasse-Eingang zur Verdammnis bezeichnet. Und zumindest die Innenarchitekten von Gehenna mochten hier ein Wörtchen mitgeredet haben. Die klassischen Säulen aus rotem Granit, polierter Marmor an den Wänden, kostbare Bodenfliesen und ein bogenförmiger Durchgang zu verborgenen Räumen - all dies war zu mächtig und

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