Fluegelschlag
die Quellen ihm vorgegaukelt hatten, war ihm inzwischen bewusst.
Nach einer kurzen Nacht und einem vergleichsweise ewig dauernden und ziemlich unerfreulichen Tag im Büro machte er sich auf den Weg zur Tierarztpraxis seines Großvaters … und verließ beide wenig später schäumend vor Wut.
Keinen Penny wollte der alte Geizhals rausrücken, und als John auf sein Erbe hingewiesen hatte, hatte er ihn ausgelacht.
»Was lässt dich glauben, dass du überhaupt etwas erbst?«, hatte er gefragt und ihn einfach vor die Tür gesetzt.
John hatte gewalttätige Fantasien entwickelt, aber die ganze Zeit war einer dieser widerlichen Schutzengel herumgeschwebt und hatte mit einem Schwert herumgefuchtelt. Diese Kreaturen, das wusste John aus eigener Erfahrung, mochten aussehen, als könnten sie niemandem ein Haar krümmen, dabei konnten sie durchaus unangenehm werden, wenn es darum ging, ihre Menschen zu beschützen. Einer hätte ihn sogar fast einmal geschlagen.
Dabei hatte John dem Mädchen nichts tun wollen. Schließlich war es ihre Idee gewesen, mit ihm an diese einsame Stelle im Park zu gehen, um ein bisschen Spaß zu haben. Vollmond, ein warmer Sommerabend und das leise Wellenplätschern am See - alles war perfekt gewesen, und selbst er hatte die Szenerie romantisch gefunden … bis ihm der Ast auf den Kopf gefallen und sie schreiend davongelaufen war. Warum sie es sich anders überlegt und sich plötzlich gegen seine Zärtlichkeiten gewehrt hatte, konnte er bis heute nicht begreifen.
Sein eigener Engel war da weit weniger engagiert. Ein kleiner, fauler Kerl, nie zur Stelle, wenn man ihn brauchte. Während der Dämon ihn heimgesucht hatte, war er jedenfalls nicht aufgetaucht. Die Abwesenheit seines Schutzengels konnte natürlich auch bedeuten, dass dieser Nácar ihm nicht gefährlich werden konnte. John mochte jedoch nicht so recht daran glauben.
Deshalb entschloss er sich, erst einmal die Angelegenheit
mit dem Kasinobesitzer zu klären. Ein unangenehmer Typ, der ihm ohne mit der Wimper zu zucken auch einen Killer auf den Hals schicken würde. Da war es allemal besser zu verhandeln. Auf dem Weg dorthin holte er sich einen Kontoauszug und staunte nicht schlecht, als er sogar etwas mehr darauf entdeckte, als er dem Mann schuldete. »Nácar sei Dank!«
Im Kasino war um diese Zeit noch nicht viel Betrieb. John überlegte kurz, ob er ein Spielchen wagen sollte. In einem Anfall ungewohnter Einsicht beschloss er jedoch, erst einmal seine Schulden zu begleichen. Oder wollte er sich nur die Schmach ersparen, an der Kasse zurückgewiesen zu werden und keine Jetons zu bekommen? Fröhlich pfeifend durchquerte er die Halle und klopfte an die gut gesicherte Tür, hinter der sich das Büro des Kasinobetreibers befand.
»Ich hoffe, du bringst das Geld!«, begrüßte dieser ihn und machte sich nicht die Mühe, hinter seinem Schreibtisch hervorzukommen.
Das hatte vor wenigen Wochen noch ganz anders ausgesehen - da war John als neuer Kunde mit Champagner begrüßt worden.
»Im Prinzip schon. Ich habe es jetzt allerdings nicht dabei.« Er sah ihn direkt an, denn es war immer gut, Augenkontakt mit seinem Gegner zu haben. Dummerweise hatte er ihn unterschätzt, denn er sprang auf und hielt John im Nu am Kragen. Diese Beweglichkeit hätte er dem schweren Mann niemals zugetraut.
»Hör genau zu, du kleiner Scheißer! Du hast mir geschworen, das Geld bis heute in bar zu bringen, und ich lasse mich nicht gern verarschen.«
Obwohl er versuchte, sich aus dem Griff zu befreien, gelang John nur ein hilfloses Rudern mit den Armen. Er war nie ein Freund körperlicher Ertüchtigung gewesen - ganz im Gegensatz zu seinem Gläubiger, der seine Karriere als Boxer im Rotlichtmilieu begonnen hatte. »Lass mich los!«, keuchte er. »Du bekommst ja dein Geld. Wenn du mich jetzt erwürgst, kann ich es auch nicht mehr besorgen.«
»Woher willst du es denn besorgen ?«
Nácars Warnung fiel ihm ein. Ahnte der Kasinochef etwas von seiner besonderen Beziehung zu dem Dämon? »Was glaubst du? Von der Bank natürlich.«
Der Mann ließ ihn so plötzlich los, dass er taumelte. »Ich habe etwas anderes gehört.«
John fand Halt an der Schreibtischkante und richtete sich auf. »Weißt du was? Mir ist scheißegal, was du hörst.« Er griff in die Brusttasche und zog den Scheck hervor. »Hier ist dein Geld, und nun lass mich in Ruhe.«
Er sah zu, wie der andere einen verborgenen Knopf unter dem Schreibtisch bediente. Eine Tür öffnete sich, und Babette, die
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