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Flüsterherz

Flüsterherz

Titel: Flüsterherz Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Debora Zachariasse
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Brotschneidebrett?«
    Es sollte ein Witz sein, aber Tibby sagte: »Ja, klar.«
    Der Tisch als Schneidebrett? Warum eigentlich nicht? Praktisch war es jedenfalls.
    Ich sah auf meine Uhr. »Ich muss los«, sagte ich. Im nächsten Moment begann die Herzchenmaschine in der Ecke zu ruckeln. Der Papierberg kam ins Rutschen und fiel teilweise herunter.
    »Was ist das denn?«, fragte ich.
    »Die Wäsche ist fertig. Hilfst du mir schnell?«, fragte Tibby.
    Ich folgte ihr und war froh, dass ich den abgelaufenen Apfelsaft stehen lassen konnte.
    Hinter dem Haus war ein verwunschener kleiner Gemüsegarten mit Salatpflanzen, Bohnen und anderem Grünzeug, das ich nicht kannte. Daneben befanden sich zwei rostige Pfähle, zwischen denen eine Wäscheleine gespannt war.
    Tibby hängte die nassen Sachen auf und ich half ihr. Aus dem Gebüsch kam eine Katze angeschlichen und rieb sich am Wäschekorb.
    »Na, Wodka, willst du uns helfen?«, fragte Tibby.
    Die Wäschestücke flatterten fröhlich im Wind, wie Fähnchen bei einem Fest. Bestimmt fühlt man sich in einem trockengeflatterten T-Shirt besonders wohl, dachte ich, ganz anders als in Kleidern aus dem Trockner.
    »Musst du dich immer um die Wäsche kümmern?«, fragte ich. »Ist das deine Aufgabe?«
    »Wie meinst du das: meine Aufgabe?«, fragte Tibby.
    Was war daran unverständlich? Ich erzählte ihr, dass bei uns jeder seine Aufgaben hat. Ich muss den Müll raustragen, den Geschirrspüler ein- und ausräumen und die Zimmerpflanzen gießen, aber davon haben wir nur zwei. Sam muss die Wäsche aus dem Trockner nehmen und zusammenlegen und einmal die Woche den Rasen mähen, dafür bekommt er zwei Euro extra. Meine Eltern machen jeden Samstag den Großeinkauf, und wenn unter der Woche etwas fehlt, besorgen Sam oder ich das nach der Schule. Jeder bügelt seine Sachen selbst, und dienstagabends räumen wir gemeinsam auf, denn mittwochs kommt unsere Putzhilfe Jana.
    »Tsss«, machte Tibby. »Klingt ja, als ob ihr in einer Kaserne wohnt.«
    Unser System funktionierte jedenfalls gut. Kein Grund, gleich so schnippisch zu werden. »Du musst doch bestimmt oft das Katzenklo sauber machen, oder?«, hakte ich nach. »Bei vier Katzen …« Dass es nach Katzenpisse stank, sagte ich zwar nicht, trotzdem kam das Ganze patziger raus als gewollt.
    Tibby schaute kurz zu mir herüber. »Nee, die machen im Freien.«
    »Da werden sich die Nachbarn aber freuen.«
    Sie zog die Brauen hoch und sah mich mit ihren schwarzen Funkelaugen an.
Du bist neidisch
, sagte ihr Blick, und ich wurde so rot wie die Rosen.
    Dann drehte sie sich um und ging ins Haus.
    Ich schlenderte hinter ihr her. Wodka strich mir um die Beine, und da wusste ich auf einmal wieder, dass ich mir nichts mehr wünschte als eine Katze. Eine brennende Sehnsucht hatte mich ergriffen, völlig unerwartet und genau in dem Moment, als ich Wodkas Fell spürte. Ich sehnte mich nach einer Katze mit weichen Pfoten, die sich an mich schmiegte, sich auf meinen Schoß legte und zufrieden schnurrte. Nach einem warmen zutraulichen Wesen, das sich neben mir ausstreckte, wenn ich Hausaufgaben machte.
    In der ersten Klasse hatte ich diesen Wunsch sogar an den Nikolaus geschrieben, hübsch gereimt und in krakeliger Kinderschrift. Ma hatte den Zettel aufgehoben.

    Der Nikolaus hatte mir lauter schöne Sachen gebracht. Keinen
Pesen
, dafür einen knalllila Spielstaubsauger und ein Bügeleisen aus Plastik, das Dampf ausstoßen konnte: pulvrige Wolken, die nach WC-Ente rochen. Und ein Hexenquartett. Lauter schöne Sachen. Aber keine Katze.
    Ich weiß nicht, warum, aber auf einmal war ich tieftraurig. Tibby merkte es. »Komm, setz dich.« Sie legte mir den Arm um die Schultern und schob mir den abgelaufenen Saft hin. Er schmeckte nach Apfelblüten und Trost.
    »Jetzt muss ich aber wirklich los«, sagte ich.
    »Du erinnerst dich nicht mehr, was?«, sagte Tibby an der Haustür. »Du hast es vergessen.«
    Geheimnisvoll lächelnd lehnte sie im Türrahmen, die Arme vor der Brust verschränkt.
    Ich überlegte. Was sollte ich vergessen haben? Etwas von früher? Oder hatte ich ein Versprechen nicht gehalten?
    »Wir kennen uns aus dem Kindergarten«, sagte Tibby. »Das hast du vergessen.«
    »Ganz bestimmt nicht«, sagte ich. »Das wusste ich sofort wieder. Aber sag mal, warum kommst du mitten im Schuljahr in unsere Klasse?«
    »Weil du mir gefehlt hast«, sagte Tibby mit warmer Stimme. Ihre schwarzen Augen strahlten mich an, und mir war, als hätte ich bei ihr, in diesem

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