Flug 2039
Betonturm, die himmelhohe graue Säule, ist an einer Seite in Flammen gehüllt, und in deren Licht erblicke ich Adam. Nur wenige Meter entfernt kniet er auf dem Boden, die Hände vorm Gesicht, und wiegt sich schluchzend hin und her.
Blut rinnt ihm über die Hände, übers Gesicht, über sein weiß bepudertes Hemd, und als ich ihm die Hände wegziehen will, brüllt er: »Nein!«
Adam brüllt: »Das ist meine Strafe!«
Sein Brüllen wird zu Gelächter, und dann nimmt er die Hände vom Gesicht und zeigt es mir.
Aus dem blutigen Loch, in dem früher mal sein linkes Auge war, ragen die winzigen Plastikfüße der Tender-Branson-Armaturenbrett-Puppe.
Halb lacht er, halb kreischt er: »Das ist meine Strafe!«
Der Rest der Puppe steckt ich weiß nicht wie tief.
Du darfst jetzt nur nicht, sage ich, in Panik geraten.
Hier kann uns nur noch ein Arzt helfen.
Aus dem brennenden Auto wälzt sich schwarzer Qualm über uns. Ohne Auto sind die achttausend Hektar öde und leer.
Adam sinkt zur Seite, fällt auf den Rücken, sieht in den Himmel: ein Auge geblendet von der Puppe, das andere von Blut. »Du darfst mich hier nicht allein lassen«, sagt er.
Ich sage, ich will ja gar nicht weg.
»Du darfst mich nicht wegen Massenmord verhaften lassen«, sagt Adam.
Ich sage: Aber ich war es nicht, der alle diese Leute in den Himmel geschickt hat.
Adam atmet schwer und schnell. »Du musst mich erlösen«, sagt er.
Ich gehe Hilfe holen.
»Du musst mich erlösen!«
Ich besorge ihm einen Arzt, sage ich. Ich besorge ihm einen guten Anwalt. Zu deiner Verteidigung fuhren wir Wahnsinn an. Er hat denselben Drill durch die Kirche hinter sich wie ich. Er hat nur getan, wozu er sein Leben lang erzogen wurde.
»Weißt du«, sagt Adam und schluckt, »weißt du, was im Gefängnis mit Männern gemacht wird? Du weißt es. Du darfst nicht zulassen, dass mir das geschieht.«
»Gruppensex im Hinterzimmer«, lese ich auf einer Titelseite.
Ich werde ihn nicht erlösen und in den Himmel schicken.
»Dann zerstör mir das Gesicht«, sagt Adam. »Verunstalte mich so, dass keiner mich jemals haben will.«
»Analfixierung«, lese ich auf einer Zeitschriftenseite.
Und ich frage: Wie?
»Such dir einen Stein«, sagt Adam. »Such dir irgendwas Festes hier in dem Müll. Einen Stein. Mach schon.«
Noch immer auf dem Rücken liegend, packt Adam die Puppe mit beiden Händen an den Füßen und zerrt daran herum, bis ihm der Atem stockt.
Ich durchwühle den Müll. Grabe mich durch Berge von Leuten, die Bauch an Bauch, Gesicht an Gesicht, Bauch an Gesicht, Bauch an Arsch und Arsch an Gesicht aneinander kleben.
Das Loch ist schon so groß wie ein Grab, als ich endlich auf festen Boden stoße, auf die heilige Erde des Friedhofs der Credisten. Ich nehme einen Stein, groß wie meine Faust.
In einer Hand hält Adam das blutverschmierte Püppchen. Er sieht teuflischer aus als je zuvor.
Mit der anderen Hand tastet er neben sich herum, packt eine Zeitschrift und zieht sie sich aufgeschlagen über das verstümmelte Gesicht. Dort abgebildet sind ein Mann und eine Frau beim Geschlechtsverkehr, und Adam spricht darunter hervor: »Wenn du einen Stein gefunden hast, schlag ihn mir ins Gesicht, sobald ich es dir sage.«
Ich kann nicht.
»Du sollst mich doch nicht töten«, sagt Adam.
Ich traue ihm nicht.
»Du sollst mir nur mein Leben erträglicher machen. Es steht in deiner Macht«, spricht Adam unter der Zeitschrift hervor. »Wenn du mir das Leben retten willst, ist das der erste Schritt dazu.«
»Wenn du es nicht tust und stattdessen Hilfe holen willst«, sagt Adam, »werde ich, sobald du gegangen bist, von hier wegkriechen und mich verstecken und dann hier draußen sterben.«
Ich wiege den Stein in der Hand.
Ich frage, ob er mir sagen wird, wann ich aufhören soll.
»Ich sag dir, wenn es mir reicht.«
Versprochen?
»Versprochen.«
Ich hebe den Stein, und sein Schatten huscht über die Leute, die auf Adams Gesicht koitieren.
Und dann schlage ich zu.
Wie tief der Stein einsinkt!
»Noch mal!«, sagt Adam. »Fester.«
Und ich schlage wieder zu.
Und der Stein sinkt noch tiefer ein.
»Noch mal!«
Und ich schlage wieder zu.
»Noch mal!«
Und ich schlage zu.
Blut saugt sich durchs Papier und färbt das fickende Pärchen rot und immer röter.
»Noch mal!«, sagt Adam. Seine Stimme klingt verzerrt, weil Mund und Nase ihre alte Form verloren haben.
Ich lasse den Stein auf Arme und Beine und Gesichter des Pärchens krachen.
»Noch mal.«
Und ich
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