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Flugrausch

Flugrausch

Titel: Flugrausch Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Garry Disher
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er einen leisen Motor hinter sich brummen, das Knirschen von Reifen und dann das kurze Bellen einer Hupe. Pearce trat von der Straße ins tote Gras. Ein Polizeivan, eine Polizistin auf dem Beifahrersitz sah ihn böse an, so als glaube sie, dass er nichts Gutes im Schilde führte, nur weil er zu Fuß ging und kein Bulle war.
    Leck mich doch, dachte er. Vielleicht interessiert es dich ja zu erfahren, dass ich auch für das Gesetz arbeite, schon immer gearbeitet habe. So was Ähnliches jedenfalls.
    Pearce war jahrelang Sportlehrer gewesen und achtete auf strenge Disziplin, bis zu jener einen Sache, wo behauptet wurde, er sei zu grob gewesen. Nun war er Angestellter im Strafvollzug bei Ameri-Pen, der Firma, die den Auftrag für das Internierungslager Westernport an Land ziehen konnte. Das Lager war für fünfhundert Internierte ausgelegt, doch nun waren es fast achthundert, und ständig wurden es mehr. Vier bis sechs Mann teilten sich eine Zwei-Mann-Zelle. Diese Überbelegung war ein Problem. Da fielen einem sofort die unnatürlichen Praktiken ein, die die Araber angeblich so bevorzugten. Außerdem waren die Hälfte von ihnen potenzielle Terroristen. Sie kauerten da herum, beobachteten einen aus wässrigen dunklen Augen und schnüffelten mit ihren Habichtnasen hinter einem her. Die andere Hälfte war einfach nur depressiv. Sie schlugen mit den Köpfen gegen die Ziegelwände, wiegten sich, kauerten da, jammerten vor sich hin und heulten untröstlich.
    Was hatten sie denn erwartet? Das hätten sie sich vorher überlegen sollen, bevor sie versuchten, illegal einzuwandern. Schickt sie doch zurück nach Afghanistan, Iran, Irak, Pakistan, wohin auch immer. Außerdem war das Wetter in diesem Teil Australiens überhaupt nicht wie im Nahen Osten. Pearce bezweifelte, dass die Flüchtigen es draußen lange machen würden. Feucht, kühl – die waren doch an trockene Hitze und Sandwüsten gewöhnt.
    Um die Disziplin aufrechtzuerhalten, hatte Ameri-Pen alle Zellentüren ausgebaut und lichtdichte schwarze Plastikfolie vor die Fenster gehängt. Um zehn hatten alle zu schlafen, und die Zellen- und Flurbeleuchtung brannte die ganze Nacht. Es durfte niemals dunkel sein. Sonst heckten die noch weiß Gott was aus. Zum Teil deswegen, zum Teil aus Schutz vor Selbstmorden, zum Teil, um sie weiter zu desorientieren, machte man nachts alle halbe Stunde die Runde, zog Decken und Laken weg und funzelte ihnen mit der Taschenlampe ins Gesicht. Darin lag etwas Befriedigendes. So ähnlich, wie den Kindern in Jessies Schule mit dem Frettchen einen Schrecken einzujagen.
    Das Frettchen. Mostyn Pearce brannte vor Scham.
    Im Kopf kehrte er zu der schlaflosen Nacht zurück, als er gedankenverloren an die Schlafzimmerdecke gestarrt hatte, während seine Frau neben ihm leise schnarchte. Bevor er ins Bett gegangen war, hatte er sich noch einmal das Video mit der Sendung von »International Most Wanted« angeschaut und sich gratuliert, Pay-TV zu haben. Und ja, er erkannte das Gesicht. Eine grobkörnige Schwarz-Weiß-Aufnahme, vor einiger Zeit gemacht, das Haar länger und dichter, aber immer noch erkennbar das Gesicht eines Mannes, der nicht unendlich weit von hier wohnte.
    Vor ihm lag eine Zufahrt. Sie bahnte sich den Weg durch einen bewaldeten Hang zu einem Schindelhaus, das nur aus Giebeln, Türmchen und hölzernen Verzierungen über den Dachfenstern bestand, das Werk eines Architekten aus Mornington. Man sah seine Arbeiten auf der ganzen Halbinsel verstreut herumstehen, von Pfefferkuchenhäuschen bis hin zu Cape-Cod-Anwesen mit Tiroler Einschlag. Pearce hasste diese Häuser und suchte nach einer Möglichkeit, diesen Hass in seine Einmischer-Kolumne im Progress einfließen zu lassen.
    Das alles erinnerte ihn an seine Scham vom Vormittag, und als das ältere Ehepaar in seinem Audi aus der Zufahrt kam – typisch, ein importiertes Auto mit Klasse, aber nicht allzu übertrieben – und ihm einen verwunderten und konsternierten Blick zuwarf, als es in Richtung Waterloo Gas gab, verzehnfachte sich seine Verbitterung noch. Er glaubte, den Blick auf ihren blöden alten Gesichtern erkannt zu haben. Er besagte: »Ach herrje, wer ist dieser Mann, und warum wandert er allein die Straße entlang, und was, wenn er unser Haus leer räumt, während wir einkaufen sind?«
    Also beobachtete Pearce, wie der Audi über der ersten Kuppe verschwand – wobei der dumme alte Kerl schmerzhaft langsam fuhr und sich fast den Hals verrenkte, um weiter in den Rückspiegel zu schauen

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