Flurfunk (German Edition)
an.
»Hi, ich bin April. Du arbeitest doch bei nachgefragt . Ich habe gehört, ihr habt bald ein Interview mit Justus Staufen. Kannst du mir Bescheid geben, wann ihr das Interview macht? Ich würde nämlich gerne noch ein paar Aufsager mit ihm drehen.«
Ich versprach, mich bei ihr zu melden, und drehte mich zu Mimi und Tim um, die lachend hinter mir standen.
Fragend schaute ich die beiden an.
»Groupiealarm«, grinste Tim.
Er klärte mich auf, dass April das sendereigene Groupie war und nicht selten mit aufgeregter, gedämpfter Stimme von prominenten Errungenschaften berichtete. Natürlich stets unter dem Siegel der Verschwiegenheit und begleitet von der Warnung »Wehe, du erzählst das weiter!«, während sie sich höchstpersönlich um die Verbreitung der Neuigkeit kümmerte und aus diesen Zwischenfällen ihr Selbstwertgefühl zog. Sie gab sich als engste Freundin des jeweiligen Stars und nannte nur vertraulich seinen Vornamen, wenn sie über ihn sprach. Dass sie bei späteren Begegnungen gerade mal erkannt wurde und erst nach penetrant detaillierten Hinweisen wie »Weißt du nicht mehr damals, im …, nach der Premiere waren wir doch noch bei …« ein allmähliches Dämmern erzeugte, störte sie nicht im Geringsten. Auch nicht die dann folgende erniedrigende Stotterei schien ihr zu denken zu geben. »Äh – Maxi – äh – nee – Hei … – nee – April mein ich.« Im Gegenteil, sie wurde mit Beifall heischenden Blicken à la »seht ihr, wie dick wir befreundet sind« quittiert, und schon ging es immer heiter weiter mit name dropping .
Als Tim seine Ausführungen beendet hatte, stutzte Mimi ihn erst mal zurecht. »Du bist doch nur neidisch, weil du die leckeren Jungs nicht abkriegst, die April bekommt.« Dann versicherte sie mir: »Sie ist wirklich nett! Hat eben ein großes Herz, aber wenigstens ist sie nicht stutenbissig und wirklich hilfsbereit. Wenn sie meint, sie muss die Jungs durchprobieren, ist das doch ihre Sache. Und außerdem kenne ich jemanden« – Mimi deutete dabei viel sagend auf Tim –, »der ihr begierig alle Details aus der Nase zieht und nie früh genug wissen kann, was es Neues bei April gibt.«
Tim gab schließlich kleinlaut zu, dass er wahrlich nichts dagegen hätte, den einen oder anderen Künstler abzubekommen.
»Und Justus Staufen ist ihr nächstes Projekt, oder wie darf ich das verstehen?«, fragte ich nach.
»So würde ich das interpretieren. Der ist aber auch ein ganz besonders spannender Typ«, seufzte Tim.
Justus Staufen war mir natürlich schon vor meiner Recherche ein Begriff gewesen. Ich hatte ihn in Frostbeulen gesehen und war hingerissen gewesen. Er hatte den etwas abgedrehten, aber unglaublich sinnlichen Hauptdarsteller gespielt und wurde seither zu Recht als das Nachwuchstalent schlechthin gehandelt.
Momentan bereitete ich sein Interview vor.
»Spielt der eigentlich in deinem oder meinem Team?«, versuchte Mimi die sexuelle Gesinnung von Herrn Staufen zu erkunden und blickte Tim neugierig an.
»Schwer zu sagen. Könnte beides sein. Also ’ne Queen ist er sicher nicht!«
Mir fielen die Zeitungsartikel ein, die ich beim Durchforsten des Internets und Archivs gefunden hatte, nicht viele, aber alle mit dem gleichen Tenor: »wild und sinnlich«, »diese intensiven grünen Augen und sein sinnlicher Mund«, »überzeugende Schauspielleistung«, »Aufgepasst, ein Star von morgen«.
Die Presse war voll des Lobes. Nur Privates gab es nicht über ihn zu lesen, weder etwas von einer Freundin noch von seiner Familie. Vielleicht war er dafür aber auch zu kurz im Geschäft, sodass die Journalisten sein Leben noch nicht genau unter die Lupe genommen hatten. Dadurch gestaltete sich die Vorbereitung samt Fragenkatalog für das Interview schwierig oder sehr leicht – wie man es eben sehen wollte.
Auf der einen Seite konnte man ihn alles fragen, ohne Gefahr zu laufen, sich zu wiederholen, auf der anderen Seite wusste man nicht, wo es sich lohnte, zu bohren, und wo interessante Punkte in der Vita waren.
Aber eines stand unbestritten fest: Justus Staufen war sexy!
Kein Wunder, dass April wissen wollte, wann er in den Sender kam. Wie sie es wohl immer schaffte, an die Stars mit all ihrer Entourage heranzukommen?
»Und was machen bei dir die Männer?«, unterbrach Mimi meine Gedanken.
Was sollte ich darauf bloß sagen? Dass ich mich nur selten verliebte, schwer Vertrauen fasste und jetzt schon Schiss hatte, meinen Eltern einen Freund zu präsentieren, an dem sie doch nur
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