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Flußfahrt

Flußfahrt

Titel: Flußfahrt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: James Dickey
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dafür, daß Lewis warm und bequem liegt. Sobald es hell wird, ich meine, schon wenn es dämmert und hell genug ist, daß du sehen kannst, wohin du fährst, dann bringst du Lewis ins Boot und fährst los. Das ist der Augenblick, in dem sich die ganze Sache entscheidet.«
    Jetzt war ich an der Reihe. Ich ging auf dem Sandstreifen ein wenig auf und ab, denn das konnte ich mir wenigstens noch leisten. Dann ging ich aus irgendeinem Grund ein Stückchen ins Wasser. Ich wollte sicher noch einmal alle Elemente fühlen, die um mich waren, und so weit am Felsen hochblicken, wie ich konnte. Ich stand, die Waden vom Wasser umspült, mit zurückgeneigtem Kopf da und sah mir das Kliff an, das steil in die Dunkelheit aufstieg. Noch mehr Sterne leuchteten über der Schlucht, ein ganzer Strom. Ich spannte den Bogen. Ich ließ meine rechte Hand über die beiden Bogenarme gleiten und tastete nach rissigen Stellen und Splittern von Fiberglas. Ein Teil des oberen Armes schien rauher zu sein, als er sein sollte, aber das war er vorher auch schon gewesen. Ich zog die Pfeile hervor, die ich noch hatte. Vier hatte ich dabei gehabt, als wir losgefahren waren, aber zwei hatte ich für den Hirsch verschwendet. Einer der übriggebliebenen war noch recht gut; ich drehte ihn in meinen Fingern, wie Lewis es mir gezeigt hatte, um die kleinen Unebenheiten zu fühlen, die man spürt, wenn man Aluminiumpfeile in den Fingern rotieren läßt. Hinten, bei den Federn, stellte ich eine leichte Unebenheit fest, aber man konnte noch gut mit ihm schießen, und auf kurze Entfernungen würde er bestimmt treffen. Der andere Pfeil war ziemlich krumm, aber ich bog ihn wieder gerade, so gut ich konnte. In der Dunkelheit war jedoch nicht viel zu machen. Obwohl ich ihn gegen den hellsten Fleck am Himmel hielt, konnte ich nicht einmal genau ausmachen, wo und wie stark er verbogen war. Aber die Doppelspitze war in Ordnung.
    Ich ging zu Bobby zurück und lehnte den Bogen gegen den Felsvorsprung, unter dem das Boot lag. Bobby trat zu mir, als ich das dünne Seil, das die ganze Zeit über an meinem Gürtel gehangen hatte, probeweise entrollte. Ich hatte einen guten Kauf getan, wenn man bedachte, daß ein Felsen, mit dem ich nicht gerechnet hatte, jetzt tatsächlich vorhanden war und daß man ein Seil in einer derartigen Situation gut gebrauchen konnte, und für einen kurzen Augenblick glaubte ich, daß dieses Glück auch in der unmittelbaren Zukunft mit mir sein werde. Ich wickelte das Seil um meinen linken Daumen und Ellbogen, bis es zu einem festen Ring geworden war. Ich verknotete die beiden Enden und hängte es an meinen Gürtel, neben das große Jagdmesser.
    »Schlaf nicht ein«, sagte ich zu Bobby.
    »Wohl kaum«, sagte er. »Mein Gott.«
    »Jetzt hör zu. Wenn du abhaust, bevor es richtig hell geworden ist, bist du von da oben aus eine verdammt schlechte Zielscheibe. Du bist sicher, solange du diese kleinen Stromschnellen hier abwärts fährst. Wenn ich die Felswand besteigen kann, dann bin ich bei Tagesanbruch oben, und die Chancen stehen ungefähr eins zu eins, falls der Gorilla da oben seine Kletterpartie tatsächlich geschafft hat. Ich tue alles, um zu verhindern, daß er auf euch runterschießt. Wenn ich mich vorhin, vor Einbruch der Dunkelheit, nicht getäuscht habe, liegen auch da oben noch ganz schöne Brocken herum, und wenn er euch nicht gleich trifft – oder wenn ihr wegkommt, ohne daß er euch sieht –, ist er sehr viel langsamer als ihr. Du brauchst also nur an ihm vorbei und um die nächste Biegung zu kommen, dann ist alles ein für allemal überstanden.«
    »Ed, sag mir doch bitte mal eins: Hast du jemals daran gedacht, daß er vielleicht nicht allein ist?«
    »Ja, daran habe ich gedacht. Das muß ich zugeben.«
    »Und was dann?«
    »Dann erwischt es uns bestimmt, morgen ganz früh.«
    »Das glaube ich dir.«
    »Ich glaube allerdings nicht, daß da oben mehr als einer ist. Ich will dir auch sagen, warum. Es ist nicht gut, jemand anders in einen Mord reinzuziehen, wenn man es nicht unbedingt muß. Das ist das eine. Das andere ist, daß er bestimmt nicht genug Zeit gehabt hat, Verstärkung zu holen. Er hat ja alle Trümpfe in der Hand, er braucht gar keine Verstärkung.«
    »Ich hoffe, du hast recht.«
    »Davon müssen wir ausgehen. Sonst noch was?«
    »Ja, ich muß es leider sagen. Ich glaube nicht, daß wir uns richtig verhalten. Vielleicht machen wir alles falsch.«
    »Ich setze mein Leben drauf, daß ich recht habe. Lewis hätte es auch getan.

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