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Flußfahrt

Flußfahrt

Titel: Flußfahrt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: James Dickey
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Jetzt muß ich es tun. Laß mich also gehen.«
    »Hör mal«, sagte Bobby und ergriff kraftlos meinen Arm. »Ich kann nicht. Ich werde doch hier nicht den Lockvogel spielen, damit du in die Wälder verschwindest und wir hier in Ruhe abgeknallt werden. Ich kann nicht. Ich kann es nicht.«
    »Hör mal, du Scheißkerl. Wenn du auf diesen Felsen steigen willst, dann nur zu. Da ist er. Er läuft dir nicht weg. Aber wenn ich raufsteige, dann spielen wir die Sache nach meinen Regeln. Und ich schwöre bei Gott, daß ich dich eigenhändig umbringe, wenn du nicht genau das tust, was ich dir sage. Es ist doch so verdammt einfach. Und falls du Lewis hier im Stich läßt, dann bringe ich dich auch um.«
    »Ed, ich lasse ihn nicht im Stich. Du weißt, daß ich das nie tun würde. Ich will nur nicht diesem schießwütigen Hinterwäldler vor die Flinte kommen und abgeknallt werden wie Drew.«
    »Wenn alles gutgeht – und wenn du machst, was ich dir sage –, wirst du nicht abgeknallt werden. Nun hör doch endlich mal. Ich wiederhole die ganze Geschichte noch einmal, und dann muß sie sitzen. Ich werde dir sagen, was du tun mußt, ganz gleich, was passiert.«
    »Okay«, sagte er schließlich.
    »Erstens, fahr los, sobald du den Fluß gut genug sehen kannst, um durch die nächsten Stromschnellen zu kommen. Um von oben aus zu schießen, ist es dann wahrscheinlich noch zu dunkel. Und selbst wenn es das nicht ist, kann er euch kaum treffen, solange ihr durch die Stromschnellen fahrt. Wenn du ruhiges Wasser erreichst, paddele eine Weile so schnell du kannst, und dann wieder langsam. Fahr nie mit gleichbleibender Geschwindigkeit. Falls er auf euch schießt, fahr auf Teufel komm raus in die nächste Stromschnelle oder in die nächste Flußbiegung. Wenn du merkst, daß du ihm nicht entwischen kannst – das heißt, wenn du siehst, daß er dich in der Falle hat und die Schüsse immer näher kommen –, dann kipp das Boot um und laß es sausen. Versuch, Lewis rauszuholen, und bleib bei ihm. Warte einen Tag, und ich werde versuchen, Hilfe heranzuholen. Wenn sich nach einem Tag nichts rührt, weißt du, daß ich es nicht geschafft habe. Dann laß Lewis zurück und versuch, auf dem schnellsten Weg flußabwärts zu kommen, selbst wenn du einen Teil der Strecke schwimmen mußt. Nimm alle drei Schwimmwesten und laß dich darauf treiben. Wir können unmöglich mehr als zehn bis fünfzehn Kilometer von einer Highway-Brücke entfernt sein. In diesem Fall merk dir aber um Himmels willen, wo du Lewis zurückgelassen hast. Wenn du es dir nicht merkst, wird er sterben. Soviel ist sicher.«
    Er sah mich an, und zum erstenmal seit Sonnenuntergang konnte ich seine jungen Augen sehen; es waren einige Lichtpunkte darin.
    »Das war’s.«, sagte ich.
    Ich nahm den Bogen auf und ging zum Boot hinüber, in dessen Nähe Lewis lag. Unablässig wälzte er seinen Hinterkopf im Sand. Ich hockte mich neben ihn. Im kalten Fieber des Schmerzes zitterte er am ganzen Körper, und etwas davon ging auf mich über, als er nach mir griff und mich an der Schulter berührte.
    »Weißt du, was zum Teufel du tun willst?«
    »Nein, Tarzan«, sagte ich. »Ich werde versuchen dahinterzukommen, wenn ich unterwegs bin.«
    »Paß auf, daß er dich nicht sieht«, sagte er. »Und hab bloß kein Mitleid. Nicht das geringste.«
    »Ich will mir Mühe geben.«
    »Tu das.«
    Ich hielt den Atem an.
    »Bring ihn um«, sagte Lewis.
    »Ich werde ihn umbringen, wenn ich ihn finden kann«, sagte ich.
    »Gut«, sagte er und sank zurück, »da wären wir also so richtig in Lewis-Medlock-Land.«
    »Eine Frage des Überlebens«, sagte ich.
    »Soweit ist es gekommen«, sagte er. »Ich hab’s dir gesagt.«
    »Ja, das hast du.«
    Alles um mich her veränderte sich. Ich schob den linken Arm zwischen Sehne und Bogen und hängte mir den Bogen über die Schulter, die Pfeilspitzen nach unten. Dann ging ich auf die Felswand zu und berührte sie mit der Hand, mit derselben Hand, die ich mir im Fluß am Pfeil zerschnitten hatte, als könnte ich damit fühlen, wie der Felsen beschaffen war. Und als hätte ich damit ihn und das ganze Problem in der Hand. Der Stein war rauh, ein Teil bröckelte unter meinem Griff ab. Das Tosen des Flusses wurde lauter, als polterten die Steine in seinem Bett. Dann ließ es wieder nach, und das zusätzliche Geräusch erstarb oder entfernte sich wieder zur Mitte des Flusses hin. Ich wußte, das war der Augenblick, und ich riß mich los und rannte auf die Steilwand zu und streckte mich

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