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Flußfahrt

Flußfahrt

Titel: Flußfahrt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: James Dickey
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auch die übertrieben kreative Art von Anzeigen nicht, bei denen man mit an den Haaren herbeigezogenen oder hochgespielten Effekten oder mit gewollter Verrücktheit arbeitete. Ich liebte Harmonie und eine Anordnung, in der die Elemente nicht gegeneinander kämpfen oder sich gegenseitig totschlagen. Ich hatte hier und in der näheren Umgebung ein paar bescheidene Preise für Werbegraphik gewonnen, aber die Konkurrenz war zugegebenermaßen nicht gerade Spitzenklasse gewesen, und die Diplome hingen in meinem Büro herum.
    Ich betrachtete das Layout für Katts genauer. Es war bestimmt für ein Sortiment von Damenunterwäsche aus Angorawolle, das unter ›Katts’ Angoras‹ laufen sollte. Das Foto auf dem Layout zeigte ein Mädchen, das nichts weiter als eines dieser Höschen trug und über die Schulter blickend mit dem Rücken zur Kamera aufgenommen worden war. Wir hatten vorgehabt, daß sich der Kopf eines Kätzchens an ihre Wange schmiegen sollte, und ich war etwas besorgt, daß, da wir die Höschen in ihrer ganzen Länge auf dem Foto zeigen mußten, der Kopf der Katze zu klein ausfiele. Natürlich konnten wir die Einstellung ändern; und vielleicht war es, wie der Werbeleiter von Katts gemeint hatte, wirklich nicht unbedingt notwendig, die Füße des Mädchens zu zeigen, aber das reizte mich gerade. Ich habe nun einmal für Füße etwas übrig, und dann ist eine Ganzaufnahme auf merkwürdige Weise immer wirkungsvoller, als wenn es so aussieht, als hätte man jemanden mit der Schere amputiert. Darüber hatten wir mit der Agentur schon unzählige Male diskutiert und auch mit dem Verkaufsleiter von Katts, einer unglaublich provinziellen Flasche. Dieser Knabe hatte die Idee gehabt, ein kleines Mädchen in einer ähnlichen Situation zu zeigen wie in der Coppertone-Anzeige, wo dem Mädchen ein Scotchterrier das Badehöschen vom blanken Popo zieht. »Wenn wir statt des Scotch eine Katze nehmen«, hatte er gesagt, »dann wird zugleich klar, daß unsere Höschen maschenfest und strapazierfähig sind.«
    Der Agentur und mir war es gelungen, ihm das auszureden, indem wir ihn darauf hinwiesen, daß Fachzeitschriften von Rang so etwas nicht brächten und sich im übrigen kein anständig aussehendes Mädchen für so eine Aufgabe hergäbe. Er gab schließlich nach, bestand aber immer noch auf mehr eindeutigem Sex, als ich in der Anzeige haben wollte, und hatte mir beim Abschied erklärt, daß ›unser Mannequin auf jeden Fall das Höschen auch wirklich schön füllen müßte‹.
    Ich schob die Elemente des Layouts hin und her, brachte das Mädchen mehr in den Vordergrund, dann wieder mehr in den Hintergrund, bis ich den Eindruck hatte, ich hätte eine gute Kompromißlösung gefunden, bei der die Schrift um die Hüften des Mädchens lief.
    Wie sie wohl sein mag? fragte ich mich. Wie wird der Körper aussehen, der die Umrisse, die ich hier skizziert habe, ausfüllen soll? Ich ging ins Studio. Thad war da und bewegte Objekte und Leute mit der für ihn kennzeichnenden routinierten Förmlichkeit und Geschäftigkeit des Innenarchitekten. Das Fotomodell saß in einem Klappstuhl im Scheinwerferlicht und hielt schützend die Hand vor die Augen. Sie trug einen schwarz-weiß karierten Umhang, der – zumindest für mein Gefühl – etwas überraschend Karnevalhaftes hatte, dabei sah sie selbst Gott sei Dank ganz und gar nicht nach Karneval aus.
    Um sie herum schien es von Männern zu wimmeln, obwohl wir einschließlich des Beleuchters nur zu fünft waren. Thads Sekretärin, eine schmallippige kleine Person namens Wilma, kam mit der Katze, die wir vom Tierschutzverein bekommen hatten, und hielt das Tier im Arm, als sollte sie selbst fotografiert werden. Max Fraley, einer unserer Layouter, brachte eine Untertasse mit Milch. Ich setzte mich auf einen Tisch und band mir die Krawatte los. In dem grellen Licht der Scheinwerfer lag etwas eigentümlich Blaues, Starres, Schmerzhaftes, etwas unverkennbar Künstliches, das ich haßte. Es erinnerte mich an Gefängnisse und Verhöre, und dieser Gedanke überfiel mich ganz plötzlich.
    Das war die eine Seite der Sache, schön, und die andere war Pornographie. Ich mußte an jene Filme denken, die man bei Herrenabenden und in Offiziersclubs vorgeführt bekommt und wo man mit Schrecken feststellt, daß sich die Kamera nicht diskret senkt, wenn das Mädchen das Handtuch fallen läßt – im Gegensatz zu den alten Hollywoodfilmen, in denen die Kamera den nackten Füßen folgt, bis diese sich hinter einem

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