Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Flußfahrt

Flußfahrt

Titel: Flußfahrt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: James Dickey
Vom Netzwerk:
Paravent verstecken –, sondern bleibt und näher herangeht, sobald das Handtuch gefallen ist; wenn man das Geheimste einer Frau vergewaltigt, zerstört man damit alles Weibliche in ihr; dann bleibt nichts mehr übrig.
    Thad bat das Mädchen aufzustehen. Ihre Füße hatten kräftige Zehen, sahen gesund und etwas jungenhaft aus; ich hätte wetten mögen, daß sie auf dem Land aufgewachsen war. Sie hatte ein hübsches, offenes Gesicht mit grauen Augen und ein paar Sommersprossen. Sie war ein Mädchen, dem ich gern in die Augen sehen würde. Und zwar ganz direkt, so daß der Blick sehr tief ging, wenn sie es erlaubte.
    Ich tat es, weil mir im Augenblick danach war. In ihrem linken Auge war ein eigenartiger Fleck, eine Art goldbrauner Strich, und das traf mich, wie ich sofort merkte, mit großer Kraft; ich würde mich nicht nur seiner wieder erinnern, sondern er würde sich mir ganz von selbst wieder aufdrängen. Die eine Hand, ebenfalls ruhig und kräftig, hielt den Umhang am Hals zusammen, und sie legte den Kopf zurück – sehr weit zurück, fast wie eine Akrobatin – und schüttelte das Haar, so daß es frei hinter ihrem Nacken herunterhing. Plötzlich erschienen zwei weitere Sekretärinnen auf der Bildfläche, wie Krankenschwestern oder Gefängniswärterinnen, und umkreisten das Fotomodell. Thad forderte das Mädchen auf, sich in den Kreidekreis zu stellen, den er markiert hatte und aus dem wir alles Zeitungspapier entfernt hatten. Ihre Füße standen fest auf dem kalten Korkfußboden. Sie hielt die Arme von sich gestreckt, und Wilma nahm ihr den Umhang ab. Sie hatte lange geschmeidige Beine, fleischig und nicht ganz so muskulös, wie ich es ihren Füßen nach erwartet hatte, aber durchaus wohlgeformt, obgleich mir sofort der Gedanke kam, daß sie diese harmonische Schönheit nicht lange behalten würden, da es ihnen an Festigkeit fehlte. Ihr bloßer Rücken wirkte irgendwie hilflos und unentwickelt, und das schien mir, wenn man von den Augen absah, weiblicher und liebenswerter als alles andere an ihr. Sie füllte die Angoras auch wirklich schön aus, aber bei ihr hatte das nichts besonders Aufreizendes; sie hätte irgend jemandes Schwester sein können, und das war ganz und gar nicht der erwünschte Effekt. Ich wußte nicht genau, ob das vielleicht an ihrer Haltung lag und wie diese sich etwa ändern ließe, aber ich trat auf sie zu und berührte sie. Sie drehte sich um und sah mir aus nächster Nähe ins Gesicht, und das golden schimmernde Fleckchen ruhte fest auf mir; es war goldener, als wirkliches Gold überhaupt sein konnte; es lebte, und es sah mich. Aus der geringen Entfernung machte sie einen völlig anderen Eindruck; sie sah aus wie ein Mädchen, das in weniger als einer Minute zur Frau geworden war. Ihre Hände waren in einer Weise über der Brust gefaltet, die ganz zufällig wirkte, und Max wußte nicht recht, wohin mit der Katze. Sie nahm sie schließlich mit der einen Hand, während sie sich schützend mit der anderen an die linke Brust griff, und diese Geste ging mir durch und durch und löste in mir eine tiefe und starke Erregung aus, so als hätte jemand meine Prostata berührt. Das Mädchen setzte ihre Füße ganz fest auf die beiden weißen Kreuze im Kreis, bebte einen Moment lang und schüttelte das Licht von ihren Schultern ab, wobei die dünnen Fäden der Glühbirnen über ihr summten und sirrten und endlich zur Ruhe zu kommen schienen.
    Wir kamen, wie Thad meinte, zu einem recht brauchbaren Ergebnis, obwohl er – so sagte er jedenfalls – nicht glaubte, daß das Mädchen gut genug sei, um sie bei anderer Gelegenheit wieder einmal heranzuziehen. Ich ging in mein Büro zurück und tat etwas, was ich seit meinen ersten Tagen in der Firma nicht mehr getan hatte. Ich ließ meiner Phantasie den ganzen Nachmittag freien Lauf. Dabei kam zwar nicht viel heraus, aber meine Gedanken sprangen schnell von einer Sache zur anderen, und daraus ergaben sich ganz gute Assoziationen. Ich brachte Thad ein paar Entwürfe und sagte ihm bei der Gelegenheit, daß ich mir Freitag frei nehme, um verschiedene Arbeiten am Haus und im Garten auszuführen.
    Er fragte nicht lange. Wir hatten es für heute geschafft; wir hatten es überhaupt geschafft.
     

14. September
    Irgend etwas in mir hinderte mich am Träumen oder vielleicht auch daran, mich an meine Träume zu erinnern; entweder war ich wach, oder ich schlief wie ein Toter und kam dann immer nur langsam wieder zu mir. Ich hatte das Gefühl, wenn absolute Stille

Weitere Kostenlose Bücher