Flut
Abreu?, fragt er.
Mein Vermieter, sagt Jasmim. Sie kennen sich.
Schöne Scheiße. Aber egal. Ihr müsst jetzt Schluss machen.
Senhor Joaquim kommt den steinigen Hang hinauf und rückt den Apparat an seinem Arm zurecht.
Jetzt warte mal, Junge. Wir haben ihn doch gefunden. Er ist genau hier. Hör mal auf das Gerät.
Das Gerät ist, wie er jetzt sieht, der selbstgebastelte Metalldetektor. Auf einer Sperrholzplatte ist eine ringförmige Spule zusammen mit einem Wirrwarr von Kabeln und elektronischen Bauteilen befestigt. Der Stiel aus Metall hat am oberenEnde einen Griff und eine Stütze für den Unterarm. Um diesen Stab ist ein Kabel gewickelt, das von der Spule zu einem Kasten führt, den Senhor Joaquim an einem Gurt befestigt an der Hüfte trägt. Der Kasten sieht aus wie eine kleine Autobatterie und hat oben mehrere Schalter und Knöpfe. Er dreht an einem Knopf, legt einen Schalter um und macht langsame Bewegungen mit dem Arm, so dass die Spule über dem Loch kreist. Die Frequenz des Summens erhöht sich drastisch, hinzu kommt in scheinbar zufälligen, immer schnelleren Abständen ein unangenehmer Alarmton, irgendwas zwischen Motorradhupe und Wählton, der von elektronischem Fiepen unterlegt ist.
Hier ist es, sagt Senhor Joaquim mit einem kindlichen Lächeln. Er klingt auf einmal unterwürfig. Ich hab mit dem Gerät schon mehrere Schätze gefunden. Irgendwas ist da. Aber das Mädchen darf es nicht ausgraben. Das weißt du, oder?
Oh, mein Gott, entfährt es Jasmim. Das ist doch bestimmt wieder eine verrostete Dose, Senhor Joaquim. Oder ein Kugelschreiber. Ein Nagel. Außerdem habe ich es nur zwei Mal geträumt. Und es muss drei Mal sein. Oder etwa nicht? Muss es nicht drei Mal sein?
Der Junge gräbt weiter.
Das ist kein Nagel. Dafür pfeift es zu laut. Sie werden schon sehen. Ist doch nur gut gemeint.
Ein Schwarm leise schnatternder Kormorane fliegt um die Lagune. Der Tag verabschiedet sich mit einem orangefarbenen Schimmern hinter den Bergen.
Schluss jetzt. Gib mir die Schaufel.
Er geht mit ausgestrecktem Arm auf den Jungen zu, der die Bewegung nicht mehr stoppen kann und die Schaufel ein letztes Mal in den Boden rammt. Ein metallisches Krachen versetzt die gesamte Szene in einen Schwebezustand. Alle sehen sich an. Jasmim hebt eine Augenbraue und holt tief Luft.
Na gut, Senhor Joaquim. Dann wollen wir mal sehen, was wir da haben.
Der Enkel oder Urenkel gräbt beharrlich weiter, während Senhor Joaquim sich in einem Maisblatt eine Zigarette dreht und ihm Anweisungen gibt. Jasmim und er legen sich in die Hängematte, die zwischen zwei Bäumen am Rande des Grundstücks gespannt ist, lauschen dem anschwellenden Lärm der Grillen und Frösche und beobachten die Aktion aus der Ferne.
Hast du nicht geträumt, der Schatz sei unter der Treppe vor der Haustür vergraben?
Ja, genau, die Typen wollten die Treppe rausreißen und meinten, ich müsste danach die Haustür versetzen, um die Geister zu besänftigen. Stell dir das vor. Die Haustür versetzen! Meine Hausgeister sind gerade mal friedlich, ich will sie auf keinen Fall wecken.
Wovon redest du?
Hier spukt es ein bisschen. Vor mir stand das Haus zehn Jahre lang leer. Es gab weder Wasser noch Strom, nichts. Ich habe alles selbst repariert. In den ersten Monaten konnte ich manchmal das Lachen einer Frau hören, und eines Tages lag ich in der Hängematte, die damals noch da hinten hing, und spürte eine Hand, die mich streichelte, und eine Frauenstimme sagte zu mir, Hab keine Angst. Ich bin natürlich weggerannt. Danach hab ich die Hängematte hier hingehängt, und seitdem ist nie wieder etwas passiert. Das soll auch so bleiben. Ich hab Senhor Joaquim angelogen und ihm gesagt, in Wirklichkeit hätte ich geträumt, der Schatz läge bei dem Stein dort. Ich dachte, sie würden dann unverrichteter Dinge abziehen. Ich wusste nicht mehr, was ich machen sollte.
Verdammte Jesuiten.
Schläfst du heute Nacht bei mir? Ich hab bestimmt Angst.
Ich muss nach Hause, die Hündin ist noch da.
Kann ich dann bei dir schlafen?
Klar.
Hast du gesehen, was Senhor Joaquim für einen Schreck bekommen hat, als er dich gesehen hat? Kanntest du ihn?
Ich hab ihn noch nie vorher gesehen.
Der hat solche Augen gemacht. Fast wäre er bis zur Lagune runtergekullert.
Es ist bereits Nacht, als der alte Mann und der Junge über das Grundstück auf sie zu kommen, der Alte mit seinem Metalldetektor, der Junge mit der Schaufel über der Schulter und einem verrosteten Fahrradrahmen in der
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